Meine Einschätzung: Kaum eine.

Seit 2006 bin ich in zahlreichen Agenturen unterwegs: Ob anfangs als Angestellte oder jetzt als Selbständige. Und bisher hatte ich fast immer mit weiblichen Ansprechpartnerinnen zu tun. Aber mir ist noch nie eine Geschäftsführerin über den Weg gelaufen. Und Frauen ab ca. 45 Jahren sind auch extrem rar gesät in Agenturen. Dagegen läuft mir so mancher ü50-Mann jenseits der GF-Ebene über den Weg. Ganz nebenbei spiegelt dieser Spiegel Online Artikel meine Erfahrungen wider: weiblich, jung, Designer. Männlich, mittleres Alter, Chef.

Zufall? Ich weiß nicht. Auf jeden Fall gibt es mir zu denken.

Mir war schon immer klar, dass ich in Werbe- oder Onlineagenturen nicht alt werden kann. Frauen fehlen ganz einfach ab einer gewissen hierarchischen Ebene bzw. ab eines gewissen Alters. Sie fehlen als Vorbild, sie fehlen als Förderer, sie fehlen ganz einfach, um unsere Wahrnehmung von einer männlichen Chefetage aufzubrechen. Es mag zwar Ausnahmen geben, aber ich frage mich dennoch, wohin die ganzen Frauen mit der Zeit verschwinden. Ein Teil taucht ab in das Schattendasein namens Hausfrauen- bzw. Mutterschaft. Leider werden sehr viele Frauen plötzlich unsichtbar, sobald sie Mütter werden. Spätestens wenn sie das zweite Kind bekommen, sieht es düster aus. Ein anderer Teil der Mütter wechselt einfach die Seiten. Denn wenn man sich auf Kundenseite umschaut, sieht die Situation plötzlich ganz anders aus: Dort sind viel mehr Frauen ab 40 unterwegs, die in kreativsten Teilzeitmodellen als Marketingmanagerin Karriere machen. In Agenturen hingegen ist Teilzeit ein ganz klarer Karrierekiller.

Schade. Dabei habe ich in den letzten Jahren die Erfahrung gemacht, dass gerade Mütter extrem effizient und ehrgeizig sind. Aber dieses Potential wird kaum genutzt – und zwar von vielen männlichen Chefs! Denn ich werde nur von Männern gefragt, wie ich das eigentlich mache: So mit Kind und jetzt auch noch schwanger! Bei jedem Akquisetermin bei dem mir männliche Geschäftsführer gegenüber sitzen (ok, fast: Ich hatte ein Gespräch, wo das nicht so war. Er war GF und werdender Vater), kommen die gleichen Fragen: Wie habe ich die Betreuung geregelt? Ist mir das nicht zuviel? Vermisse ich mein Kind nicht? Was, wenn das Kind krank wird? Kann ich die Projekte auch termingerecht abschließen? Der skeptische Unterton zeigt mir oft schon, wo die Reise hingeht: Nach nirgendwo. Von weiblichen Chefs auf Kundenseite habe ich diese Fragen noch nie gestellt bekommen. Denn die wissen: Es geht einfach. Sie machen es ja auch.