Vor Jahren habe ich folgende Geschichte auf Reddit gelesen: Ein Lehrer teilt seine Töpferklasse in zwei Gruppen:

In der Gruppe A werden die Schüler nur nach Quantität bewertet: Wer 30 Kilogramm Keramik abgibt, bekommt eine 3. 40 Kilo ergeben eine 2. Alles über 50 Kilo eine 1.

In der Gruppe B muss jeder Schüler nur eine einzige Keramik einreichen, die dann benotet wird. Diese Keramik muss natürlich perfekt sein, um eine 1 zu bekommen. Hier wird die Qualität benotet.

Welche Gruppe hat die schöneren Keramiken erstellt?
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*überleg*
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sicher?
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Antwort: Gruppe A! Die Gruppe, die anhand ihrer Quantität benotet wurde!

Denn: Quantität führt zu Qualität. Und: Quantität bringt uns ins Tun und nimmt uns die Angst vor der Perfektion!

Oder, um das Reddit-Posting zu zitieren: „Perfection is intimidating. I think most artists blocks come from the fear of creating something imperfect. Putting it even more simply, just make shit. Eventually it’ll be good shit. Maybe most of it will just be shit. But you can’t make good shit if you’re not making a lot of shit.“

Perfektion ist einschüchternd. Ich als Kreative, Texterin, Konzepterin, ehemalige Design-Studentin und leidenschaftliche Zeichnerin weiß das. Und deshalb habe ich in meinen 5 Jahren als Hochschuldozentin jede erste Vorlesung mit dieser Reddit-Geschichte angefangen. Ich habe sie meinen Studierenden erzählt und sie gefragt: Welche Töpfer-Gruppe hat die höhere Qualität produziert? Sie sollten die Hand heben. In jedem Semester haben die meisten für Gruppe B gestimmt, für die Qualitäts-Gruppe.

Um ihnen die Angst vor Perfektion zu nehmen, habe ich sie Headlines zu Anzeigen schreiben lassen. Viele Headlines. Und noch mehr Headlines. Von Woche zu Woche habe ich mehr Headlines gefordert: Zuerst 3, dann 5, dann 10, dann noch mehr. Und von Woche zu Woche wurden die Studierenden schneller und besser im Texten von Headlines. Der Übungseffekt hat bei ihnen schnell zu sehr guten Ergebnissen geführt. Ich bin mir sehr sicher, dass das Ergebnis ganz anders geworden wäre, wenn ich in jeder Vorlesung nur eine, aber dafür richtig gute, Headline von ihnen gefordert hätte.

Auch beim Bloggen gilt, gerade am Anfang unseres Blog-Abenteuers: Perfektion ist einschüchternd. Die Angst vor einem womöglich nicht perfekten Blogartikel führt oft in die Lähmung, dabei gilt: Übung macht die Blogmeisterin. Und deswegen rede ich auch so viel über die magische 52 :-)

In The Content Society ist es unser Ziel, in einem Kalenderjahr 52 Blogartikel zu schreiben. Einen Blogartikel pro Woche. Warum das Sinn macht, habe ich schon 2021 verbloggt: Wie oft soll ich bloggen? Warum einmal die Woche bloggen dich viel weiter bringt als nur einmal pro Monat.

Aber: Was mir in dem Blogartikel von 2021 fehlt, ist die Frage: Qualität oder Quantität – und muss ich mich da überhaupt entscheiden? Meine Antwort ist ganz klar: Nein, wir müssen uns nicht zwischen Qualität oder Quantität entscheiden. Ganz im Gegenteil: Qualität braucht Quantität. Es ist kein „Entweder-Oder“, sondern ein „das eine führt zum anderen“.

Quantität führt zu Qualität. Das Gesamtwerk von Picasso wird auf 50.000 Einzelwerke geschätzt. Seth Godin veröffentlicht seit über 7.000 Tagen jeden Tag einen Blogartikel. Frida Kahlo: 152 Gemälde. Franz Zappa hat 107 Alben veröffentlicht, davon 62 zu Lebzeiten. Die anderen Alben entstanden aus bis dato unveröffentlichtem Material. Vielleicht ist nicht jedes dieser Werke super, bahnbrechend und großartig. Aber: In so einer Masse ist die Wahrscheinlichkeit viel höher, dass da etwas Großartiges mit dabei ist, als wenn jemand nur EIN Gemälde malt, nur EINEN Blogartikel veröffentlicht, nur EIN Lied schreibt.

Führt mehr Zeit automatisch auch zu Mehrwert?

Auf manchen SEO-Blogs lese ich, dass Relevanz viel wichtiger sei, als die Frequenz, mit der wir Blogartikel veröffentlichen. Und natürlich stimmt das: Relevanz, oft auch „Mehrwert“ genannt, ist das A und O beim Businessbloggen. Aber: Nur weil ich mir länger Zeit für einen Blogartikel nehme, heißt das nicht automatisch, dass er auch besser wird. Viele Blogger denken sich: Ich habe ein gewisses Maß an Qualität, das ich wie Marmelade auf ein Brot streichen kann. Wenn ich diese Qualität nur auf ein Brot verstreiche, ist das ja viel gehaltvoller, als wenn ich sie auf 4 Brote streiche – dann ist da ja kaum noch Qualität drauf!

Nur: Das stimmt nicht! Einmal zu bloggen, würde nur dann mehr Qualität bedeuten, wenn dein einzelner Blogartikel gehaltvoller ist, als 4 Blogartikel einer Person, die einmal wöchentlich bloggt. Das ist aber sehr, sehr schwer, zu erreichen. Wenn wir die Qualität eines Blogartikels anhand seiner Länge bemessen (ich weiß, das ist kein guter Qualitätsindikator, aber hey, irgendwo müssen wir ja anfangen 😉), dann gilt die folgende Rechnung:

Wenn ein Blogger pro Woche einen durchschnittlichen Blogartikel zwischen 1.000 und 2.000 Wörtern verbloggt, müsste dein monatlicher Blogartikel zwischen 4.000 und 8.000 Wörtern lang sein, um qualitativ mitzuhalten. Die Wahrscheinlichkeit ist aber sehr hoch, dass du „nur“ einen Blogartikel mit 1.000 bis 2.000 Wörtern veröffentlichst – damit liegst du gleichauf mit dem wöchentlichen Blogger. Nur mit dem Unterschied, dass du viel seltener veröffentlichst!

Ein Blogartikel braucht so lange, wie ich mir selbst Zeit dafür gebe!

Es gibt eine spannende Beobachtung im Alltag: Die Dinge brauchen so lange, wie wir uns dafür Zeit geben. Beispiel: Du hast 4 Wochen Zeit für eine schriftliche Hausarbeit. Wie lange wird es wohl dauern, bis sie fertig ist? Genau das Gleiche gilt auch für unsere Blogartikel: Wenn du dir vornimmst, einen Blogartikel in einem Monat zu veröffentlichen, wirst du auch genau einen Monat dafür brauchen. Was würde passieren, wenn du dir „nur“ noch eine Woche Zeit für einen Blogartikel geben würdest? Genau: Du würdest deine Blogartikel viel schneller schreiben und hättest einen viel größeren Output! Und, ein wichtiger Zusatz: Die Qualität deiner Blogartikel würde sogar steigen! Warum? Wegen des Übungseffekts!

Regelmäßig und häufig zu bloggen, ist einfacher, als selten zu bloggen!

Was fühlt sich für dich besser und machbarer an? Über Wochen den einen epischen, langen, möglichst perfekten Blogartikel zu schreiben? Oder nach und nach viele kürzere, (vermeintlich) unperfekte Blogartikel zu veröffentlichen, aus jedem dieser Blogartikel zu lernen und dich in kleinen Schritten immer weiter zu verbessern? Für mich klingt Option 2 viel sympathischer!

Die innere Hürde ist bei kleinen und häufigen Blogartikeln niedriger, als wenn wir uns vornehmen, immer nur lange und möglichst perfekte Blogartikel zu veröffentlichen. Damit ist das Bloggen insgesamt auch leichter, wenn wir öfter bloggen. Denn: Wir müssen nicht erst den inneren Perfektions-Widerstand überwinden.

Wir machen uns oft einen großen Druck, möglichst perfekte Dinge zu kreieren: Unsere Webseite soll perfekt sein, bevor wir sie veröffentlichen. Unsere Texte sollen fehlerfrei sein, unsere Beitragsbilder sollen schön sein. Unser erster Versuch soll grundsätzlich, egal, ob wir eine neue Sportart ausprobieren oder eine neue Sprache lernen, möglichst nach Profi und nicht nach Einsteiger aussehen. Dann sind uns die Aaaahs und die Wows sicher. Aber: Mit diesem Anspruch landen wir nur in der Blockade. Wir machen dann nicht weiter. Erst das Weitermachen, die Regelmäßigkeit und der Übungseffekt führen dazu, dass wir richtig gut in etwas werden – dass wir also einer vermeintlichen Perfektion immer näher kommen.

„Ich blogge lieber selten, dafür mit mehr Qualität“ ist Zeichen eines Mangeldenkens

Seltenes Bloggen führt zu höherer Qualität? Ich bin heute der festen Überzeugung, dass diese Aussage eine reine Schutzbehauptung von Selten-Bloggern ist, um sich das unregelmäßige bzw. seltene Veröffentlichen von Blogartikeln schönzureden. Denn im Grunde gibt es keinen Vorteil, wenn wir selten bloggen. Und: diese Aussage ist für mich Ausdruck eines Mangeldenkes bzw. „Scarcity Mindsets“. Denn dieses Denken unterstellt, dass Qualität eine endliche Ressource ist, die sich bei Gebrauch verbraucht. Die also immer weniger wird, je mehr man sie nutzt. Deshalb muss man, so dieser Glaubenssatz, sehr sorgsam damit umgehen und sie ja nicht zu oft benutzen.

Immer, wenn wir in The Content Society die Blogdekade durchführen (10 Blogartikel in 10 Tagen), kommen Kommentare wie „Unter so einem Zeitdruck kann doch gar nichts Gutes entstehen! Qualität braucht doch Zeit!“ Genau das Gegenteil ist der Fall: In diesen 10 Tagen entstehen großartige Blogartikel, tolle Anleitungen und Meinungsartikel, epische Texte und manchmal auch Gedichte und Haikus. Dieser Blogartikel, den du hier gerade liest, ist auch während der Blogdekade entstanden. Eine straffe Deadline bringt uns maximal ins Tun und ist der Turbobooster für unsere Kreativität! Dann stellst du nämlich fest, dass Qualität keine Ressource, die sich verbraucht, sondern eine unerschöpfliche Quelle, die einfach nur darauf wartet, angezapft zu werden, damit sie sprudeln kann.

Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Es ist okay, wenn du selten bloggst! Wenn du z. B. wenig Zeit hast oder wenn dein Thema nicht so viele Blogartikel hergibt, dann ist das in Ordnung! Wichtig ist, dass du dir über die Gründe für dein Seltenbloggen im Klaren bist und nicht lahme Argumente vorschiebst, um dir deine Blogfrequenz schönzureden.

Meine Empfehlung: Blogge einmal die Woche!

Wenn du regelmäßig bloggst, wirst du sehr schnell sehr gut. Was heißt „regelmäßig bloggen“? Für mich: Ein Blogartikel pro Woche. Das ist gleich aus mehreren Gründen eine gute Blog-Frequenz:

  • Du füllst deinen Blog schnell mit Content, der immer besser wird
  • Du kannst schnell Themen aufgreifen, die in der Luft liegen (und damit deine Meinungsführerschaft aufbauen)
  • Du profitierst maximal vom Übungseffekt (nach einer Woche weißt du immer noch, wo du klicken musst, um z. B. ein Bild einzufügen. Wenn du aber nur einmal pro Monat bloggst, vergisst du in der Zwischenzeit viele Handgriffe. Und: Du wirst viel schneller beim Bloggen!)
  • Du gibst deinen Lesern einen guten Anreiz, regelmäßig bei dir vorbeizuschauen. So baust du deine Stammleserschaft (und eine gute Kundenbasis) auf

Du willst also qualitativ hochwertige Blogartikel schreiben? Du willst Blogartikel schreiben, die deine Zielgruppe vom Hocker reißen? Dann ist mein Tipp: Klicke öfter auf den Veröffentlichen-Button! 😎