Das Impostor bzw. Imposter Syndrom ist eine echt fiese Sache. Es ist ein psychologisches Phänomen, bei dem Betroffene von massiven Selbstzweifeln hinsichtlich eigener Fähigkeiten, Leistungen und Erfolge geplagt werden und unfähig sind, ihre persönlichen Erfolge zu internalisieren. Es ist quasi das Gegenteil des Dunning-Kruger-Effekts, bei dem die Leute aufgrund mangelnden Wissens bzw. mangelnder Kompetenz ihre eigenen Fähigkeiten überschätzen. Impostors sagen häufig Sachen wie „Erfolg? Ich hatte einfach nur Glück“ und neigen dazu, ihre eigenen Erfolge kleinzureden.
Bis ich mal gecheckt habe, dass ich auch am Impostor Syndrom leide, hat es einige Jahrzehnte gedauert. Maßgeblich zu dieser Erkenntnis beigetragen hat meine Tätigkeit als Dozentin an der HfK (als ich die Anfrage bekommen habe, war mein erster Impuls: „Wer bin ich, anderen das Texten beizubringen??“) und mein Business-Coaching SOMBA (dort wird es regelmäßig thematisiert). Seit mir das Impostor Syndrom bewusst ist und ich mich mit diesem Thema beschäftige, habe ich allerdings festgestellt: es hat auch Vorteile, wenn man vom Hochstapler-Syndrom betroffen ist.
7 Vorteile des Impostor Syndroms:
1. Gefühlte Hochstapler sind häufig überdurchschnittlich qualifiziert
Vom Impostor Syndrom sind oft Menschen betroffen, die sehr viel Wissen und Kompetenz angehäuft haben und deshalb wissen, dass es ja noch so unglaublich viel gibt, das sie noch nicht wissen. Das gute alte Ich weiß, dass ich nichts weiß in Reinform. Sie sind die idealen Fachexperten. Wenn man als Personaler also merkt, dass man einen vermeintlichen Impostor vor sich hat: zugreifen!
2. Menschen mit dem Impostor Syndrom reflektieren unglaublich intensiv über alles, was sie machen – und produzieren damit sehr gute Ergebnisse
Sie überlegen x-mal, bevor sie etwas veröffentlichen, ein Freebie online stellen oder sich irgendwo äußern. Die Selbstzweifel können eine starke Blockade für gefühlte Hochstapler sein, überhaupt etwas zu produzieren, aber wenn sie etwas produzieren, ist es richtig, richtig gut (selbst wenn sie selbst nur ganz okay finden. Und nein, diese Selbsteinschätzung ist kein Fishing for Compliments!).
3. Apropos Komplimente: auch wenn sie sie zunächst abtun – gefühlte Impostors freuen sich doppelt und dreifach über Komplimente
Aber Kompliment ist nicht gleich Kompliment: der gefühlte Hochstapler mag keine Komplimente für Dinge, für die er nichts kann wie z.B. tolle Haare oder Schönheit grundsätzlich. Er reagiert da sogar gereizt, also Obacht! Wenn er aber ein Kompliment oder Lob zu seiner Kompetenz oder Intelligenz bekommt, spornt es den gefühlten Impostor zu Höchstleistungen an.
4. Gefühlte Hochstapler haben so einen hohen Anspruch an sich selbst, dass sie niemals andere Personen oder Inhalte kopieren würden
Sie möchten alles von Grund auf verstehen und selber machen, das Rad neu erfinden und sind oft kaum zufrieden mit ihrer eigenen Arbeit. Sie kreieren eigene, neue, genuine Inhalte. Das machen sie aus persönlichem Antrieb – und sie möchten sich damit auch vor dem Vorwurf des Kopierens, Betrügens bzw. Hochstapelns schützen. Fun Fact: sich woanders ein bisschen zu sehr inspiriert haben zu lassen, ist übrigens eine der fiesesten Beleidigungen, die man einem gefühlten Hochstapler an den Kopf werfen kann!
5. Menschen mit Impostor Syndrom nerven nicht
Sie sind aufgrund ihrer starken Selbstzweifel oft sehr bescheiden und fühlen sich in der zweiten (oder hintersten) Reihe am wohlsten. Sie sind keine Rampensäue und würden nie phantastische Versprechungen machen (so nach dem Motto: werde fünfstellig in vier Wochen!!1!“). Ganz im Gegenteil: sie fühlen sich von solchen Aussagen massiv abgestoßen, denn sie wissen sehr genau, dass sie nicht realistisch sind.
6. Menschen mit Impostor Syndrom hassen es, unter Beobachtung zu stehen – deshalb machen sie sich besonders oft erfolgreich selbständig
Es kann kein Zufall sein, dass so viele Selbständige in meinem Umfeld vom Impostor Syndrom betroffen sind. Meine Theorie: sie sammeln zuerst als Angestellte viel Wissen und Knowhow und möchten dann der ständigen Beobachtung durch eine Person (dem Vorgesetzten) entfliehen. Also machen sie sich selbständig. Als Selbständiger mit wechselnden Auftraggebern und Projektpartnern sinkt die Gefahr der vermeintlichen Enttarnung als Hochstapler, denn das Beobachtet-Werden verteilt sich auf mehrere Personen und wechselnde Projekte (die dann ja irgendwann abgeschlossen sind). Das findet der gefühlte Impostor besser als über einen langen Zeitraum von der immer gleichen Person (gefühlt) inspiziert zu werden, die emotionale Belastung sinkt. Und da der gefühlte Hochstapler so viel Kompetenz mitbringt, gehört er eher zu den erfolgreicheren Gründern und Selbständigen.
7. Gefühlte Impostors riechen den Dunning-Kruger-Effekt fünf Kilometer gegen den Wind
Impostors machen wahre Hochstapler sofort ausfindig und lassen sich in ihrem Fachgebiet von charismatischen Blendern nicht beeindrucken. Aufgrund ihrer Selbstzweifel würden sie diese Leute aber oft nicht öffentlich outen oder auflaufen lassen. Stattdessen heben sie lieber skeptisch eine Augenbraue und suchen die Distanz. Insofern: suche das persönliche Gespräch mit einem Menschen mit Impostor-Syndrom, frage ihn nach seiner Einschätzung und trust the Impostor!
Übrigens, es gibt noch mehr gute Nachrichten für gefühlte Hochstapler! Denn zum Thema Therapie des Impostor Syndroms sagt Wikipedia: Die effektivste Therapie zur Überwindung des Hochstapler-Syndroms ist zu erkennen, dass es existiert. Meine eigene Strategie lautet mittlerweile: meinem inneren Kritiker zuerst verständnisvoll zuhören, dann gnadenlos ignorieren, Augen auf (nicht zu) und durch!
Dein Imposter-Syndrom blockiert dich massiv? Mein Tipp: Fange JETZT mit dem Bloggen an!
Das Bloggen ist eines der besten Mittel gegen das Imposter Syndrom – ich spreche aus Erfahrung! Durch das Bloggen werden wir sichtbar und halten unsere Erfolge fest. So können wir gar nicht anders, als unsere Erfolge zu erkennen und auch wirklich anzunehmen. So reduziert sich unser Impostersyndrom und wir kommen, Blogartikel für Blogartikel, raus aus dieser lähmenden Blockade.
Also, fang einfach an und blog like nobody’s reading ;-) Hier findest du meine Anleitung für deinen ersten Blogartikel:
Danke für diesen Text, ich erkenne mich so klar wieder! Erschreckend und gleichzeitig faszinierend, weil ich endlich erkenne, dass es real ist, dass ich nicht einfach nur „zu faul“ bin, wenn ich mit mir und meiner Arbeit hadere und zweifle.
Ganz fantastisch!!!
Zwei Anregungen, wenn Sie es mir gestatten.
1. Es wäre toll, wenn jemand mal prüft, ob es unter den Menschen mit dem Impostor-Syndrom vermehrt Hoch Sensitive Personen (HSP) gibt.
2. …wie vor, jedoch mit Höchst Intelligente Personen (HIP) (IQ>145)
Hallo Judith
Ich lese heute zum ersten Mal vom Impostor, aber: du beschreibst MICH hier erschreckend genau! Das Gute daran? Ich darf es erkennen, muss mich aber nicht grundsätzlich verändern… Das kann ich annehmen! Danke für den Einblick.
PS: ich bin auch eine SOMBA :-)
Ich habe im Januar 2018 erfahren, dass ich da wohl nicht ganz normal ticke :-// und dann habe ich erfahren, dass es dafür ein Wort gibt. Ich glaube, ich werde mich gar nicht verändern können, selbst wenn ich es wollte. Das sitzt so tief… Aber ich kann versuchen, das Beste daraus zu machen :-)