Wenn wir einen Kommentar auf unserem Blog oder bei Facebook löschen bzw. nicht freigeben, handeln wir uns ganz schnell den Vorwurf “ZENSUR!!!1!! ein. Das Problem: Viele Leute verwechseln Meinungsfreiheit mit Meinungsrecht. Sie wollen überall alles sagen dürfen, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Sie wollen Minderheiten beschimpfen und mich z. B. in meinen Blog-Kommentaren beleidigen. Ein solches Recht gibt es aber juristisch nicht.
Was ist Zensur?
Der Begriff „Zensur“ ist abgeleitet vom lateinischen Wort censura, das eine strenge Prüfung bzw. Beurteilung und zugleich das Amt eines Sittenrichters (Censors) im römischen Staat bezeichnete (Quelle: Wikipedia). Zensur ist die Überprüfung und Kontrolle von Texten und Inhalten in Print, Hörfunk, Fernsehen, Film usw. meist von staatlich eingerichteter Stelle. Die Zensoren kontrollieren Werke auf politische, sittliche, religiöse und gesetzliche Aspekte. Bei einer Vorzensur wird die Publikation vor der Veröffentlichung einer Behörde vorgelegt, die diese dann genehmigt, korrigiert oder verbietet. Bei einer Nachzensur werden die bereits veröffentlichten Publikationen beschlagnahmt oder die Verbreitung beschränkt beziehungsweise verboten (siehe ARD-Faktenfinder zum Thema Zensur).
In Deutschland gibt es keine Zensur – trotzdem hat die Meinungsfreiheit ihre Grenzen. Artikel 5 unseres Grundgesetzes besagt:
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
Wir dürfen also, trotz Meinungsfreiheit, nicht andere Menschen beleidigen oder als Meinungen kaschierte Lügen über sie verbreiten. Ebenso dürfen wir z. B. Hardcore-Pornos nicht frei zugänglich machen. Illegale Inhalte, wie z. B. das Leugnen des Holocausts, sind ebenfalls nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt.
Übrigens: Wie ich mit Kommentaren umgehe, habe ich hier geschrieben:
Von wem kann Zensur überhaupt ausgehen?
Du und ich – wir können gar nicht zensieren. Denn Zensur kann nur vom Staat ausgehen. Wenn dein Kommentar nicht freigegeben oder wenn dein Leserbrief in der Zeitung nicht abgedruckt wird, ist das vielleicht uncool – aber definitiv keine Zensur! Wenn ich einen Kommentar lösche, ist das mein digitales Hausrecht. Auf meinem Blog lege ich die Regeln fest, wie wir miteinander umgehen. Eine solche “Netiquette” gibt es auf vielen Webseiten und z. B. auch in vielen Foren und auf sozialen Netzwerken. Dort kümmern sich Moderatoren um die Einhaltung der Netiquette und geben z. B. Kommentare erst nach einer Überprüfung frei.
Niemand ist dazu verpflichtet, deine Meinung zu veröffentlichen. So kannst du z. B. nicht einfordern, deine Meinung im Heute Journal kundzutun. Genauso wenig kannst du einfordern, dass deine Meinung in einer Zeitung abgedruckt wird. Du kannst deine Meinung immer noch kundtun, aber dann eben woanders, z. B. im persönlichen Gespräch oder auf deinen eigenen Plattformen. Du siehst deine Meinungsfreiheit gefährdet? Dann ist mein Tipp: Starte deinen eigenen Blog! Hier kannst du alles mit der Welt teilen, was nicht gegen Paragraf 5 (2) des Grundgesetzes verstößt! Und hey, denk daran, die Kommentarfunktion freizuschalten ;-)
Übrigens: Du hast einen Blog und wünschst dir mehr Kommentare? Hier findest du meine besten Tipps für mehr Diskussion unter deinen Blogartikeln!
Gegenwind und Konsequenzen sind keine Zensur
Vor einiger Zeit habe ich mit einigen Bekannten ein Gespräch geführt, als aus heiterem Himmel jemand das N-Wort gesagt hat. Ich war völlig perplex. Die Person hat gesagt, das sei doch ein ganz normales Wort, damit sei er eben aufgewachsen und ob ich jetzt auch zu denen gehöre, die ihm verbieten wollten, „ganz normal“ zu sprechen. Das sei ein freies Land, er lasse sich doch nicht zensieren!! Um das zu verdeutlichen, hat er das Wort dann süffisant mehrfach verwendet, höhöhö. Ich war sprachlos: Das war wirklich ein interessantes Verständnis von Zensur. Der Abend (und die Person) war für mich gelaufen, ich meide die Person seitdem. Menschen aus dem Weg zu gehen, ist keine Zensur, sondern eine persönliche Entscheidung.
Im Jahr 2019 war ich auf einer Hochzeit. Nach einigen Stunden kam ich mit der Brautmutter ins Gespräch und habe ihr von unserem Umzug erzählt. Daraufhin kam ein “Apropos” von ihr und plötzlich erzählte sie etwas von “Umvolkung”. Ich war, nun ja, irritiert. In den nächsten 5 Minuten folgte ein wilder Ritt durch alle damals aktuellen Verschwörungstheorien, bis ich die Reißleine zog und ihr sehr klar gesagt habe, dass sie einige für mich sehr irritierende Ansicht hätte, die zudem nicht von Fakten gestützt seien. Daraufhin kam von ihr der Klassiker: “Jetzt darf ich wohl gar nichts mehr sagen?!” Nun, dürfen darfst du schon – ich muss mir das aber nicht anhören. Das Gespräch abzubrechen, ist keine Zensur.
Ich habe den Eindruck, dass in unserer zensurfreien Gesellschaft der Vorwurf der Zensur vor allem von den Menschen kommt, die gerne einen Haufen Schei*e von sich geben wollen – ohne Konsequenzen dafür fürchten zu müssen. Es sind oft Menschen, denen ihre Privilegien langsam abhandenkommen und die sich dann verzweifelt an die Meinungsfreiheit klammern – allerdings, indem sie die Meinungsfreiheit für sich selbst als Meinungsrecht und für die anderen als Akzeptanzpflicht auslegen. Nur ist die Sache so: Menschen sind soziale Wesen. Und je nachdem, wie wir uns verhalten, folgen aus unseren Taten positive oder negative Konsequenzen. Das war in der Menschheitsgeschichte schon immer so. Jemanden zu beleidigen, war noch nie schick. Die Bitte, jemanden nicht zu beleidigen, ist weder Sprechverbot noch Zensur, sondern einfach normal.
Was ist denn wirklich Zensur? Internationale Beispiele
Zensur ist sehr eng mit dem Thema Pressefreiheit verwandt. Besonders interessant finde ich bei der Rangliste der Pressefreiheit die Weltkarte.
Und da zeigt sich: In Nord-, Mittel- und Westeuropa leben wir auf einer Insel der Seligen, hier ist Zensur quasi nicht vorhanden. In Deutschland kann man sich z. B. über Politiker lustig machen, man kann Gott als Fabelwesen bezeichnen und über Korruption berichten, ohne Angst haben zu müssen, im Gefängnis zu landen. Jeder in Deutschland hat freien Zugang zum Internet und kann einen Blog eröffnen und dort alles publizieren, was nicht gegen Paragraf 5 (2) des Grundgesetzes verstößt. Aber schon vor unserer Haustür, also z. B. in Polen, Ungarn und Serbien sieht die Situation anders aus. Besonders schwierig ist die Zensur-Situation in Asien, Ostafrika und Mittelamerika. Hier einige Beispiele an echter Zensur:
- In Russland darfst du den Angriffskrieg auf die Ukraine nicht Krieg nennen. Du kommst dafür ins Gefängnis, wie z. B. der alleinerziehende Vater Alexej Moskaljow, dessen Tochter in der Schule ein Anti-Kriegs-Bild gemalt hat.
- In Thailand darfst du nichts Negatives oder Kritisches über den König sagen, sonst könntest du im Gefängnis landen.
- In vielen Ländern wird politische/religiöse Satire bzw. „Gotteslästerung“ mit dem Tode bestraft. Auch das ist eine Form der Zensur.
- In China findet eine umfassende Medienzensur statt: „Bestimmte Inhalte über die Unabhängigkeitsbewegung in Tibet und Taiwan, die religiöse Bewegung Falun Gong, Demokratie, die Tiananmen-Proteste von 1989, Maoismus, Korruption, Polizeibrutalität, Anarchismus, Klatsch, Wohlstandsunterschiede und Lebensmittelskandale sind verboten.“ (Wikipedia) China liegt 2023 in der Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 179 von 180. Nur einen Platz vor Nordkorea.
- Apropos Nordkorea: Hier erfolgt eine derart starke Zensur, dass viele Nordkoreaner nur unter Lebensgefahr ausländische oder gar „westliche“ Serien/Filme schauen können. Hier gibt es keine freien Medien und auch kein freies Internet, sondern ein streng abgeschottetes und sehr rudimentäres Intranet.
- In Eritrea gibt es nur staatlich kontrollierte Medien. „Eritrea wird in der Literatur häufig als ‚Afrikas Nordkorea‘ bezeichnet, da diese beiden Länder weltweit die einzigen ohne jegliche freie Presse sind.“ (Wikipedia)
- Im Iran wird alles rund um die Proteste nach dem Tod von Jina (Mahsa) Amini zensiert. Ziel des Regimes ist es, ein möglichst national begrenztes Intranet zu erschaffen, das Regime nennt es „halales Internet“.
Du hast deine Frage schon in deinem Beitrag wunderbar beantwortet, aber ich antworte dir trotzdem – und das wird ja mal wohl sagen dürfen:
Ja (Kommentare löschen) und Nein (keine Zensur).
Feels like good old zensursula Zeiten… Sollen die Trolle doch zurück ins Heise Forum gehen. 😄
Natürlich darfst Du auf Deinem Blog einen Kommentar löschen. Wo kämen wir denn dahin? Ich hatte vor zig Jahren einmal einen ziemlich heftigen Kommentar von einer Bloggerin zu einem Blogbeitrag. In dem Fall hatten sich sogar diverse andere Bloggerinnen dazu geäußert und die Dame gemaßregelt. Sie hat sich dann bei mir nicht mehr blicken lassen.
Zensur ist es jedenfalls nicht, wenn Du einen Kommentar löschst, der Deiner Meinung nach unter die Gürtellinie geht. Auch radikale politische Ansichten muss man nicht dulden.
Liebe Grüße
Sabine