Sobald wir einen Onlinekurs bzw. eine Membership haben, haben wir oft auch eine Community: Also eine Gruppe, in der sich unsere Kund:innen austauschen, Fragen beantworten und sich gegenseitig feedbacken. Meistens kommt diese Gruppe in Form einer Facebook-Gruppe daher. Und dann stellt sich eine große Frage: Welche Postings lassen wir in unserer Gruppe zu? Lassen wir einfach erst mal alle Postings zu, auch zu tagesaktuellen Ereignissen – selbst wenn sie nichts mit unserem Kursthema zu tun haben? Und auch auf die Gefahr hin, dass dann viele Gruppenmitglieder die Übersicht verlieren und die wirklich wichtigen Postings nicht mehr finden? Oder bestehen wir auf einem Themenfokus und halten tagesaktuelle Ereignisse aus der Gruppe raus? Sperren wir vielleicht sogar die Posting-Möglichkeit, sodass unsere Gruppenmitglieder nur noch kommentieren können?
Diese Frage stellt sich mir ganz aktuell beim Ukraine-Krieg. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass wir als Unternehmerinnen klare Kante zeigen sollten. Als dynamische Bloggerin empfehle ich, dass wir eine Mischung aus Expertenartikeln und persönlichen Artikeln verbloggen. Gerade in dieser 8. Kalenderwoche des Jahres 2022 haben wir als unverbindliche Blogempfehlung in The Content Society das Thema „Rant“: also Schimpftirade bzw. emotionale Wutrede. Was für ein grotesker Zufall, dass dieses Blogthema ausgerechnet auf die Woche fällt, in der Russland die Ukraine überfällt.
Auf welchen Plattformen müssen bzw. sollten wir als Unternehmerinnen Position beziehen?
Aber was ist abseits unseres Blogs? Ich frage mich: Kann, darf, muss ich den Ukraine-Krieg in meinem Kurs thematisieren? Oder in meinem Newsletter? In meinen Social-Media-Postings? Muss ich hier Haltung zeigen? Was ist mit der Übernahme Afghanistans durch die Taliban im August 2021? Oder mit dem Sturm auf das US-Kapitol im Januar 2021? Wie stehe ich zum Krieg im Jemen, der seit über 10 Jahren weitestgehend unbeachtet vor sich schwelt? Muss ich zu allen Weltereignissen Position beziehen? Oder nur dann, wenn es mich persönlich betrifft? Wenn ich aus familiären Gründen oder wegen meines Wohn- oder Geburtsortes nah dran bin? Wo kann ich die Grenze ziehen?
Ja, ich habe eine sehr starke Haltung zum Ukraine-Krieg, die ich in den letzten Wochen und Monaten sehr geradlinig in meinem Bekanntenkreis vertreten habe. Meine Sympathien sind eindeutig bei der Ukraine. Muss ich diese Haltung aktiv nach draußen tragen, damit ich mich als Meinungsführerin positioniere? Damit ich als empathisch oder authentisch gelte? Ich habe darauf noch keine abschließende Antwort gefunden. Ich spüre: Mir ist es irgendwie unangenehm, bei solchen Krisen schnell nach vorne zu preschen und meine Haltung in die Welt zu werfen. Ich bin jemand, der erst mal alles gut durchdenken möchte, ich brauche Zeit, ich maße es mir nicht an, immer sofort eine fertige Meinung zu einem Thema zu haben, weil ich immer neue Informationen bekomme, die meine Meinung beeinflussen.
In meinem letzten Blogartikel zum Thema Bro-Marketing habe ich geschrieben: Unsere Selbständigkeit ist wie ein unkartierter Kontinent: Wir finden den Weg, indem wir ihn gehen. Wir entwickeln uns und gerade für mich gilt: Lösungen ergeben sich beim Machen. Ich bin der Trial & Error Typ, der mal schaut, wie etwas funktioniert. Ich denke intensiv über etwas nach und schlage vielleicht einen neuen Weg ein.
Mein Tipp an dich: Du musst nicht überall mit deiner Position präsent sein. Stattdessen: Wähle die eine Plattform, auf der du dich am sichersten fühlst und schreibe dort über deine Haltung.
Wie reagiere ich, wenn mitten in meinem Kurs bzw. Launch etwas welterschütterndes passiert?
Ich fühle mit allen Online-Unternehmerinnen mit, die in den Kalenderwochen 8 bzw. 9 2022 launchen oder als Kurs-Veranstalterin mittendrin sind in ihrem Onlinekurs. Das ist jetzt eine sehr knifflige Zeit. Denn so ein Launch wird lange vorbereitet, wir investieren viel Zeit und Geld in einen Launch. Den kann man dann nicht einfach mal kurz verschieben, denn wir unterliegen dann einem straffen Zeitplan. Also: was tun?
Mein Tipp: Viele haben bei einer Krise instinktiv den Wunsch, ihren Launch abzublasen. Das ist aber kein Muss! Schlafe erst mal drüber und überlege dir, ob du in deiner Kommunikation einen sinnvollen und ehrlichen Bezug zum Ereignis herzustellen kannst, ob das ein Krieg oder der Ausbruch einer Pandemie ist. Ich habe im Frühling 2020 selbst gesehen, wie erfolgreich ein Launch trotz des Corona-Ausbruchs sein kann: Damals habe ich Fast-Action-Texter gelauncht, einen 4wöchigen Kurs rund um unsere Webseitentexte. Während des Launches bin ich auf die Corona-Situation eingegangen. Damals wussten wir ja noch nicht, was kommen würde und wurden alle vom ersten Lockdown kalt erwischt. Ich habe damals ganz klar gesagt, dass jetzt die beste Zeit ist, um unseren Blog, unsere Webseite und damit auch unser Online-Business aufzubauen. Es kommt natürlich stark darauf an, was du anbietest. Aber ich glaube, dass dieser Bezug mit vielen Angeboten auf ehrliche und wahrhaftige Weise möglich ist. Du hast für deinen Launch eine Salesmail-Sequenz oder automatisierte Social-Media-Postings vorbereitet? Schaue nochmal drüber und passe sie ggf. an. Ich schreibe in jedem Launch etwa ein Drittel meiner Mails spontan und passe alle Mails vorher nochmal an, sodass ich immer die Gelegenheit habe, auf aktuelle Ereignisse einzugehen. Meine Launch-Teilnehmer danken es mir mit begeisterten Antworten, hohen Conversions und niedrigen Abmelderaten von meinen Sales-Mails.
Muss ich jeder Haltung in meiner Facebook-Gruppe eine Bühne bieten?
Als Online-Unternehmerin haben wir mit hoher Wahrscheinlichkeit auch eine Facebook-Gruppe, in der sich unsere Kurs-Teilnehmerinnen austauschen können. Dazu eine aktuelle Geschichte aus meinem Business: Im Januar 2022 gab es zahlreiche „Wild-Postings“ in der Facebook-Gruppe von The Content Society: So nenne ich Postings, die nichts mit dem Kurs zu tun haben oder als Kommentar unter einem bestehenden Posting besser aufgehoben wären. Ich habe gehofft, dass sich diese Wildpostings, die gerade am Jahresanfang vermehrt auftreten, von selbst einpendeln. Ich habe zu lange gewartet mit einer Reaktion bzw. Ansage – bis viele Gruppen-Mitglieder von den vielen Postings genervt waren. Anfang Februar kam dann meine Ansage und wir haben uns im Team entschlossen, dass ab sofort alle Postings in der Facebook-Gruppe von einem Admin freigegeben werden müssen. Parallel zu dieser Umstellung haben wir auch beschlossen, auf einen klaren Themenfokus bei den Postings zu setzen. Daher lautet seit Februar 2022 die erste Regel in unseren Facebook-Gruppenregeln: „Bitte nur Postings mit Blog-/Business-Bezug.“
Wenn man vorher das freie Posten gewöhnt war, klingt das auf den ersten Blick wie eine Einschränkung. Und tatsächlich habe ich auch genau wegen dieser ersten Regel in der KW 8/2022 ein Ukraine-Solidaritäts-Posting abgelehnt. Die Verfasserin war darüber verständlicherweise enttäuscht, was ich sehr gut nachvollziehen konnte. Aber: Mit dieser Regel bietet sich eine Möglichkeit, auch schwierige Themen in die Facebook-Gruppe zu tragen: Indem eine Teilnehmerin mit osteuropäischen Wurzeln z. B. über den Krieg bloggt und darüber schreibt, wie sich der Krieg auf ihr Business auswirkt.
Das ist im Moment mein Weg, wie ich schwierigen Themen eine Bühne in meiner Facebook-Gruppe biete.
Mein Tipp: Es ist okay, wenn du nicht sofort die perfekte Lösung findest, wie du mit Krisen in deiner Facebook-Gruppe umgehst. Und es ist auch okay, wenn du deine Gruppenregeln „on the fly“ änderst, weil du merkst, dass etwas nicht so funktioniert, wie du es dir erhofft hast. Wichtig ist, dass du die neuen Gruppenregeln klar kommunizierst (z. B. mit einem Posting oder einem Live-Video). Für mich hat es sich als praktikabel erwiesen, nicht mehr alle Postings in meiner Facebook-Gruppe zuzulassen. So bin ich nicht ständig im stressigen Reaktions- und Moderations-Modus, sondern kann mir erst mal Zeit nehmen, über Postings nachzudenken, bevor ich sie in der Gruppe freischalte – oder eben auch ablehne.
Fingerspitzengefühl ist Übungssache
Ob ich Krisen auch in Zukunft auf Social Media thematisieren werde, weiß ich noch nicht. Aber eines weiß ich ganz sicher: Auf meinem Blog, da finden Themen, die mich sehr beschäftigen, ihren Platz. My Blog is my Castle und blog like nobody’s reading: Hier schreibe ich freier und, ehrlich gesagt, auch viel lieber, als auf Social Müdia, äh… Media. Gerade, wenn es um schwierige Themen geht. Ich blogge seit 2005, ich bin eine geübte Schreiberin und dennoch finde auch ich nicht in jeder Situation auf Anhieb den richtigen Ton. Das ist in Ordnung, denn ich weiß, dass ich eine ständig Lernende bin.
Wir finden den Weg, indem wir ihn gehen. Als Selbständige und Online-Unternehmerinnen werden wir jeden Tag mit neuen Entwicklungen konfrontiert. Wir müssen täglich kleine und große Entscheidungen treffen. Das bedeutet, dass wir auch mal falsche Entscheidungen treffen werden. Und das ist okay! In Krisenzeiten ist Fingerspitzengefühl gefragt und das ist Erfahrungssache! All diese Erfahrungen schulen unseren Entscheidungs-Muskel und machen uns zu einer besseren Unternehmerin. Wichtig ist, dass wir vor diesen Entscheidungen nicht zurückzucken, sondern sie aktiv treffen. Denn eine Entscheidung passiv zu treffen, bedeutet, dass wir eine Entscheidung aussitzen, bis die Zeit, die Umstände oder andere Menschen sie für uns treffen. Und das sind meistens schlechte Entscheidungen für unser Business.