Vor einigen Tagen habe ich mir am Wohnzimmertisch meine Fotos von vor einem Jahr angeschaut (wir waren im Legoland). Und dabei hat mich eine Erkenntnis so dermaßen getroffen, dass mir schier das Butterbrot aus der Hand gerutscht ist: ich nehme die Zeit anders wahr als noch letztes Jahr. ​Anfang 2018 oder in den Jahren davor hätte ich noch gesagt: „was? Schon ein Jahr her? DAS ging ja schnell!“ 
Heute ist das anders.

Die Zeit ist jetzt für mich gedehnt. Es passt mehr rein in die Zeit. Wo die Tage und Wochen in den letzten Jahren in meiner Wahrnehmung so ineinandergeflossen sind, ist es heute ganz anders: als ob ein Tag nach dem Aufstehen 48 statt 24 Stunden hätte, aber zugleich ist es auch kein nervtötendes Dahinkriechen der Zeit. Dieses Gefühl „was, schon ein Jahr vergangen? Fühlt sich eher an wie 3 Monate!“ habe ich seit einiger Zeit nicht mehr. Es ist ein Zeitgefühl, wie ich es als Kind hatte und wie damals, als ich in der Schule war. Echt abgefahren.
Ich habe mich dann sofort gefragt: warum ist das so? Warum hat sich meine Zeitwahrnehmung verändert?

Meine Antwort: ​​​​weil ich wieder in der Schule bin.
Meine Zeitwahrnehmung hat sich verändert, weil ich wieder viel Neues erlebe, eine steile Lernkurve habe und täglich meine Komfortzone verlasse („Komm-fort-Zone“). Weil ich im letzten Jahr viele erste Male erlebt habe: mein erstes Live-Video, mein erster Onlinekurs und Launch, mein erster Angestellter, meine erste Facebook-Gruppe. Momente, die ich nie vergessen werde. Zahlreiche Nächte in denen ich neue Tools ausprobiert habe, Videos geschaut habe und Blogartikel aus mir rausgeflossen sind. Ganz viele Augenblicke voller Emotionen: Ungewissheit, Zweifel und ihre Überwindung, Freudentränen, Erfolgsjubel – aber auch Ärger über verpatzte Launches (die ich dann doch noch herumgerissen habe), Enttäuschungen und sich danach wieder aufrappeln. Neue Freundschaften und Tribe-Momente, das Abschlussgrillen von meinem Onlinekurs, mein erstes Podcast-Interview.
In meiner Erinnerung sammeln sich diese Meilensteine jetzt viel schneller an, wie an einer Perlenkette reihen sie sich aneinander. Und ich habe das Gefühl, dass diese Erinnerungs-Meilensteine die Zeitwahrnehmung verlangsamen: Meine Zeitwahrnehmung rast von Meilenstein zu Meilenstein und macht bei den Meilensteinen eine gefühlte Pause. Und wenn man wenig Neues erlebt und dadurch wenige Erinnerungs-Meilensteine hat, rast sie über Wochen und Monate hinweg. Und dann heißt es: Was? Der Monat ist schon zu Ende? Der Urlaub schon vorbei? Schon wieder Silvester?
Was mir zu denken gibt: als Mutter habe ich auch viel Neues erlebt, neue Dinge gelernt und bin täglich aus meiner Komfortzone getreten. Und dennoch ist das (für mich) etwas vollkommen anderes. Denn gerade die Babyjahre meiner drei Kinder (2012 bis 2017) sind in meiner Zeitwahrnehmung zusammengeflossen und sind zu einer gefühlt kurzen Zeitspanne zusammengeschnurrt. Es ist eben eine andere Form von Lernen.
Legoland 2018: