Gestern habe ich 13 Dinge, die mich an Social Media nerven veröffentlicht. Dort habe ich geschrieben: „Facebook nervt, Instagram nervt, LinkedIn nervt, TikTok nervt und Twitter nervt erst recht. (…) Social Media ist ein nerviger, enshittifizierter Chaoshaufen, dem Moral nichts und Profit alles bedeutet.“ Vielleicht bist ja auch du genervt, bist aber trotzdem täglich auf Social Media. Deshalb frage ich mich (und dich): Warum nutzen wir diese Plattformen überhaupt noch? Aber bevor ich damit loslege, erkläre ich erst mal kurz, wo ich social-media-technisch stehe.

Eine kurze Geschichte meiner Social-Media-Aktivitäten

  • Auf TikTok habe ich zwar ein Profil und ich habe vielleicht mal 4 Videos hochgeladen. Ist aber nicht so meins. Ist mir hektisch, zu wild, zu verrückt. Es verbrutzelt mir das Hirn.
  • Mit LinkedIn bin ich nie warm geworden, das war mir immer schon zu aufdringlich: Ständig will mir da jemand was verkaufen oder sich aus belanglosen Gründen mit mir vernetzen. Zudem finde ich LinkedIn hässlich.
  • Twitter war meine erste große digitale Liebe (neben meinem Blog). Meinen ersten Tweet habe ich am 30. Mai 2007 veröffentlicht. Meine Twitter-Liebe ist in den Zehnerjahren deutlich abgekühlt, als ich bei der Piratenpartei war und dort ein Shitstorm den nächsten jagte – ausgetragen natürlich auf Twitter. Immerhin kann ich behaupten: Ich war nie Akteurin eines Shitstorms. Meine Twitter-Liebe ist mit Elon Musk endgültig zerbrochen. Für mich ist Twitter der größte 💩-Haufen unter den „normalen“ Social-Media-Plattformen: Von Millionen Bots unterwandert, ein Brutkasten für Beleidigung, Hass und Fake News und bis zur Unkenntlichkeit enshittifiziert. Das bedeutet: sie haben die User aus den Augen verloren und ordnen ALLES dem Profit unter: Die Usability, die Nützlichkeit der Plattform, die Moral, das Interface-Design, das unsere Aufmerksamkeit möglichst lange binden soll usw – einfach ALLES!
  • Bei Facebook bin ich schon sehr lange. Wie lange genau, weiß ich nicht. Ich weiß nur: Die StudiVZ-Phase habe ich übersprungen und während alle noch gegruschelt haben, habe ich mir Facebook von innen angeschaut. Irgendwann fand ich Facebook so dämlich, dass ich die App bestimmt 5 Jahre lang vom Handy gelöscht habe. Im Dezember 2017 habe ich es wieder installiert, aus einer spontanen Laune heraus. Dann bin ich über eine Werbeanzeige von Sigrun gestolpert. Und so hat mein Online-Business angefangen. In dieser Hinsicht: Danke, Facebook!
  • Was Instagram angeht, bin ich echt ein Late Adopter: Mein erstes Bild habe ich am 22. November 2013 gepostet (Instagram gibt es seit Oktober 2010). Aber die Sache war die: Ich hatte damals ein Windows-Phone. Und dafür gab es keine Instagram-App 🙄 Anfangs habe ich nur mein Dasein als Mutter dokumentiert. Später kam ich auf die Idee, dass ich auf Instagram ja auch Business-Content teilen könnte. Und noch später habe ich angefangen, meine Wörter des Tages auf Instagram zu teilen.
  • Threads ist meine neue Social-Media-Liebe. Die Plattform ist witzig und noch nicht (so) von Bots, dauerpitchenden Coaches und Fake News unterwandert. Threads macht Spaß. Aber ich habe ein riesengroßes Problem mit Threads: Es gehört zu Meta 😬 Seit ich Threads nutze, bin ich kaum noch auf Instagram.

Also, Judith, jetzt mal ehrlich: warum nutzt du Facebook & Co. überhaupt noch? Hier sind meine Antworten:

1. Facebook ist meine wichtigste Werbeplattform

Als jemand, der Werbeanzeigen schaltet, habe ich keine gute Alternative. Was viele Leute nicht auf dem Schirm haben: Facebook ist nicht nur eine, sondern drei Plattformen: Facebook ist eine Content-Plattform, eine Community-Plattform und gleichzeitig eine Werbe-Plattform – und nicht nur irgendeine Werbeplattform, sondern eine der größten der Welt. In meinem Jahresrückblick 2023 habe ich geschrieben: „Meta ist eine der größten Werbeplattformen der Welt! Und dort ist meine Zielgruppe sehr stark vertreten. Ich KANN die Werbeplattformen, die mir Facebook und Instagram bieten, nicht einfach so ersetzen. Wir haben es versucht und haben mit Pinterest in 2023 eine Bauchlandung hingelegt.“

Wäre ich weiterhin Freelancer, der für Agenturen textet oder 1:1-Projekte macht: Mein Blog würde mir als Akquisemotor vollkommen ausreichen. So war das zwischen 2009 und 2020: Mein Blog hat mir die Aufträge wie auf einem Silbertablett serviert und ich war laufend ausgebucht. Aber: Ich habe mittlerweile ein Online-Business, bei dem ich nicht mehr 1:1, sondern 1:many arbeite. Ich muss also viel mehr Menschen erreichen, denn einen Onlinekurs mit einer Person durchzuführen, ist ökonomisch nicht nachhaltig. Deshalb launche ich. Und dafür sind Werbeplattformen, auf denen wir schnell viele Menschen erreichen, sehr praktisch. Für meine Zielgruppe und meine Art von Content ist Facebook sehr gut geeignet. Zudem haben wir uns schon jahrelang mit Facebook beschäftigt, dort haben wir schon viel Knowhow und aus früheren Kampagnen Lookalike-Audiences gebildet. Das kann ich nicht einfach ignorieren oder beleidigt beiseite schieben (auch wenn ich es gerne tun würde).

2. Ich bin der ewige Idealist und hoffe, dass ich etwas bewirken kann

Ich hoffe, dass ich als Mitglied dieser Plattformen etwas zum Besseren wenden kann. Nein, ich bin mit den Praktiken von Meta nicht einverstanden. Ist es dann die Lösung, die Plattform zu verlassen? Oder kann ich nicht viel mehr bewirken, wenn ich drin bleibe und versuche, die Plattform von innen heraus zu verändern? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Es ist ein bisschen, wie die Bewegung Maria 2.0: Frauen in der katholischen Kirche versuchen, von innen heraus die katholische Kirche zu reformieren. Ob das gelingt, weiß ich nicht. Ich weiß aber, dass diese Frauen als Mitglied der katholischen Kirche wahrscheinlich mehr bewirken können, als wenn sie austreten würden.

3. Ich bin sentimental

Hach, die guten alten Zeiten! Als ich mich bei Twitter angemeldet habe, lag Aufbruchstimmung in der Luft. Und anfangs waren all diese Plattformen auch wirklich ein (vorwiegend) positiver Ort – ja, sogar Twitter! Dort wurde gelacht und diskutiert. Memes und Running Gags wurden kreiert und ausgetauscht. Schnell hat sich da ein Mikrokosmos mit eigener Sprache und eigenen Bräuchen gebildet. Wir haben auf Socia Media sagenhafte Klickraten auf unsere Blogs verzeichnet. Es war eine schöne Zeit, in der uns Social Media näher zusammengebracht hat. Ich hänge an dieser Zeit und wünschte mir, dass Social Media heute wieder mehr diesen Spirit von früher hätte. Aber gut: Social Media war damals noch nicht monetarisiert, es gab noch keine Werbeanzeigen. Ich fürchte, dieses Rad der Zeit lässt sich nicht zurückdrehen.

4. Ich lerne auf Social Media sehr viele interessante Menschen kennen

Über Social Media kam ich mit den BarCamps in Berührung – ein Ort, an dem ich sehr viele interessante Menschen kennengelernt habe. Damit hat sich mein Bekanntenkreis in Stuttgart plötzlich vervielfacht. Und: Meine ersten Partner habe ich über Dating-Plattformen kennengelernt, die ja auch irgendwie Social Media sind.

5. Social Media ist eine sehr gute Plattform, um meine Blogartikel zu teilen

Wenn ich etwas gebloggt habe, habe ich mehrere Möglichkeiten, diese Blogartikel zu teilen:

  • Ich kann in meinem Newsletter darüber schreiben
  • Ich kann meine Blogartikel im Abbinder (Footer) meiner E-Mails einbinden
  • Ich kann Pins bei Pinterest machen (das gilt v. a. für zeitlose Blogartikel, die auch z. B. in 3 Monaten oder in 2 Jahren noch relevant sind)
  • Ich kann auf Suchmaschinenoptimierung (SEO) setzen und darauf hinwirken, dass diese Blogartikel in den nächsten Monaten und Jahren organisch gut gefunden werden

Wenn ich zusätzlich Social Media nutze, habe ich viel mehr Möglichkeiten, meine Blogartikel zu teilen:

  • Ich kann meine Blogartikel als Linkpostings auf Facebook und LinkedIn teilen
  • Ich kann meine Blogartikel in meinem WhatsApp-Status mit meinen Kontakten teilen
  • Ich kann bei Instagram Stories machen und dort direkt den Link zu meinem Blogartikel hinzufügen
  • Ich kann Videos, Lives und Reels machen, in denen ich über meine Blogartikel rede
  • Ich könnte sogar Werbeanzeigen auf meine Blogartikel laufen lassen

Social Media bewirkt, dass ich einen „Spike“ habe, sobald ich meine Blogartikel teile: Also einen schnellen Besucheranstieg auf meiner Website. Und selbst wenn die Leute nicht auf meine Blogartikel klicken: Es reicht oft schon, wenn sie beim Scrollen durch Facebook und Instagram meine Headlines oder Beitragsbilder sehen, damit sie wissen, was bei mir gerade Thema ist. Dafür ist Social Media sehr gut geeignet!

6. Facebook-Gruppen sind super für Challenges

Nachdem ich im November 2022 auf Facebook gehackt wurde, bin ich mit meinen Kursgruppen von Facebook zu Mighty Networks umgezogen. Aber: Meine Blog-Challenges führe ich immer noch in Facebook-Gruppen durch. Warum? Weil es so einfach ist und weil fast jeder Facebook nutzt. Ich habe es mal ausprobiert, eine Challenge in Mighty Networks durchzuführen. Das Ergebnis: Nicht mal die Hälfte der Menschen, die sich angemeldet haben, sind auch in diese Gruppe gekommen (bei Facebook kommen ca. 75 % rein). Und: Die Aktivität in der Gruppe war deutlich niedriger, als in einer Facebook-Gruppe. Ich habe gelernt: Sobald die Leute Geld für einen Kurs bezahlen, sind sie auch bereit, die Mühen auf sich zu nehmen und auf eine andere Plattform zu wechseln: wir müssen schließlich Mighty Networks als App installieren und dort ein Profil anlegen. Obwohl diese App kostenlos ist und das Erstellen eines neuen Profils nicht mal eine Minute dauert, ist diese Hürde für viele Menschen dann eben doch zu hoch. Im Gegensatz dazu haben sie Facebook schon installiert und ständig griffbereit. Sie kennen sich mit Facebook aus und wissen, wo sie klicken müssen. Alles andere ist quasi ein Medienbruch und eine Irritation.

Zudem: Facebook-Gruppen bieten sehr viele Features – und das auch noch kostenlos! Ich vermisse nach wie vor viele Features auf Mighty Networks, die auf Facebook selbstverständlich sind. Für Mighty Networks zahle ich allerdings ca. 100 Euro pro Monat.

7. Auf Social Media bekomme ich schnell Feedback auf neue Ideen

Wenn ich eine Idee teile oder eine Frage stelle, bekomme ich auf Instagram und Facebook sehr schnell Feedback. Und zwar viel schneller und viel mehr, als wenn ich die gleiche Frage in meinem Newsletter stelle. Denn: Die Hemmschwelle, auf einen Newsletter zu antworten, ist höher, als auf ein Posting bei Facebook zu kommentieren. Für Umfragen und Marktforschung ist Social Media super geeignet!

8. Social Media macht Spaß und ist sehr unterhaltsam

Facebook, Instagram & Co. sind ideal, um Zeit totzuschlagen. Das ist Fluch und Segen zugleich, denn man kann sich auch echt schnell bei Instagram festscrollen. Nachdem ich im Sommer 2023 Reddit den Rücken gekehrt habe, wurde dann eben wieder Facebook & Co. mein regelmäßiger Lieferant für Unterhaltung.

9. Social Media gibt mir kostenlose Reichweite

Sobald ich auf Social Media etwas poste, bekomme ich Sichtbarkeit. Die Enshittifizierung von Facebook begann spätestens 2007, als Facebook eine eigene Werbeanzeigen-Plattform gelauncht hat (hier findest du die Geschichte von Werbung auf Facebook). Denn: Facebook wollte Usern wie mir die Sichtbarkeit nicht mehr schenken. Ich sollte dafür bezahlen. Und so wurde die organische Sichtbarkeit von Postings drastisch reduziert. Die Reichweite bzw. Sichtbarkeit, die meine Postings heute haben, ist nicht mehr so groß, wie sie mal war. Aber immerhin: Mehr Sichtbarkeit, als ohne Social Media!

10. Ich lerne sehr viel auf Social Media

Neue Trends, Änderungen im Algorithmus, neue Formate und dann natürlich noch der ganze User Generated Content: Es gibt so viel zu lernen und zu entdecken auf Instagram! Eine meiner spannendsten Lernkurven war, als ich Reels für mich entdeckt habe: Im November 2022 wollte ich 30 Reels an 30 Tagen machen: Das war so aufregend – bis mir Facebook einen Strich durch die Rechnung gemacht hat und mich auf Lebenszeit gesperrt hat.

11. Social Media erweitert meinen Horizont

Ich komme auf Social Media mit mehr Meinungen und verschiedenen Sichtweisen in Berührung, als im „Real Life“. Ok, mit meinen Eltern gibt’s auch manchmal einen Clash der Lebensphilosophien, aber das ist nichts im Vergleich zu dem, was mir auf Social Media begegnet. Manchmal binge-reade ich bei einem Profil, das bei mir nur Fragezeichen hinterlässt, Jahre zurück. Einfach nur, um besser zu verstehen, warum diese Person so denkt, wie sie es tut. Dabei falle ich gelegentlich in einen digitalen Kaninchenbau: Ich staune, lerne und sauge alles auf, wie ein Schwamm. Und so kommt es z. B., dass ich heute oft gendere oder sogar das generische Femininum benutze, obwohl ich früher nie gegendert habe und das sogar als ziemlich unnötig empfunden habe (mein Künstlername „Sympatexter“ ist der beste Beweis dafür. Aber hey, der stammt aus dem Jahr 2002. Damals war ich halb so alt, wie heute). Bei anderen Themen, z. B. von Demokratiefeinden oder Verschwörungs-Anhängern, spüre ich keine innere Annäherung. Dennoch ist es gut, wenn ich über diese Themen und Lebenswelten wenigstens ein bisschen Bescheid weiß.

12. Fast jeder, den ich kenne, ist bei WhatsApp

Es wäre für mich echt schwer, das Metaversum zu verlassen, weil fast jeder bei WhatsApp ist. Von diesem Kommunikationskanal abgeschnitten zu sein, wäre für mich zwar möglich, aber schwierig. Jede Elterngruppe, jede Familie, jede Schulklasse spricht sich über WhatsApp ab. Geburtstage vorbereiten, Ausflüge planen, selbst die Weltreise meiner Eltern mitverfolgen: Alles findet in WhatsApp-Gruppen statt! Klar, es gibt auch Telegram, Threema usw. Aber: Die meisten Menschen sind dort einfach nicht. Für sie ist WhatsApp der Messenger mit der niedrigsten Hemmschwelle. Würde ich WhatsApp nicht nutzen, müsste ich bestimmt öfter telefonieren. Das ist nicht gerade mein liebster Kommunkationskanal 😄

13. Ich habe gelernt, Social Media so zu nutzen, dass es mich nicht so nervt

Hier sind meine besten Strategien, um nicht zu viel Zeit und Nerven auf Social Media zu verbraten. Ich nenne es auch „digitale Selbstverteidigung“:

  • News Feed Eradicator: Ein Browser-Plugin, mit dem du deinen Feed auf diversen Plattformen einfach ausschalten kannst. Dieses Plugin funktioniert nur am Desktop. Ich nutze dieses Plugin seit Jahren. Hier findest du den News Feed Eradicator für Chrome (es ist kostenlos!).
  • Ich habe vor Ewigkeiten schon Twitter vom Handy gelöscht. Vor einigen Jahren habe ich dann komplett aufgehört, Twitter zu nutzen. Seit 2021 habe ich auch phasenweise Facebook vom Handy gelöscht (ich hole mir die App nur in Zeiten, in denen ich launche. Meistens bereue ich es schnell wieder. Es ist krass, wie mich die App „reinsaugt“). Instagram habe ich noch nicht gelöscht, weil viele Funktionen nur mobil funktionieren, wie z. B. Reels und Stories. Hier schwanke ich noch.
  • Ich habe am Handy alle Social-Media-Benachrichtungen ausgeschaltet. Das heißt: Mein Handy summt nicht ständig, weil irgendjemand irgendwas (relativ unwichtiges) gemacht hat, wie z. B. mein Bild zu liken. Und so nimmt automatisch mein Drang ab, das Handy ständig in die Hand zu nehmen.
  • Bei der täglichen Arbeit lege ich das Handy in ein anderes Zimmer. Mein Handy darf nicht in meinem Arbeitszimmer sein.
  • Ich habe eine Expertin engagiert, die sich um meine Werbeanzeigen kümmert. So habe ich noch weniger Berührungspunkte mit Facebook. Ehrlich: Das nimmt mir schon so viel Facebook-Stress ab, unglaublich!
  • Ich weiß, wie schädlich Social Media ist und wie hinterhältig die Plattformen agieren, um uns scrollsüchtig zu machen. Das macht es mir leicht, Distanz zu diesen Plattformen aufzubauen.
  • Social Media ist für mich nur ein Bonus, ein Nice-to-Have. Ich verlasse mich nicht auf Facebook & Co, sondern lege meinen Fokus auf „owned media“. Also: auf meine eigenen Plattformen, die ich selbst besitze und bei denen mir kein Algorithmus dazwischenfunken kann: Mein Blog und mein Newsletter sind das einzig Wahre!

Man kann Social Media verantwortungsbewusst und in Maßen nutzen. Es ist nur sehr schwer. Und dass es so schwer ist, ist Absicht.

Fazit: Social Media und ich – eine Hassliebe

Ich nutze Social Media seit Jahren nur noch widerwillig, ich will schon lange meine Zeit dort nicht mehr verschwenden. Wenn ich konsequent handeln würde, müsste ich mich von Facebook, Instagram und WhatsApp abmelden. So, wie es Alexandra Polunin gemacht und hier beschrieben hat: Breaking up with Facebook (eine sehr lesenswerte Podcast-Folge: Sie hat sogar ein Transkript eingefügt, falls du keine Podcasts hören magst).

Aber: Es ist für mich nicht so einfach. So, wie Alexandra beschreibt, bin auch ich an Facebook und Instagram gefunden, wegen der Werbeanzeigen. Echt, wenn das nicht wäre, ich würde SOFORT byebye zu ALLEN Meta-Plattformen sagen. Wir sind gerade dabei, hier eine andere Werbe-Plattform zu finden. Ich bin also schon auf dem Sprung, facebookfrei zu werden. Ich hoffe, dass sich 2024 dahingehend positiv entwickelt.

Social Media hat mir früher sehr viel Positives gegeben. Aber: Diese Zeiten sind leider vorbei, alle Plattformen sind zu einem gewissen Grad enshittifiziert. Ich muss heute also zugeben, dass, obwohl mir Social Media kaum noch etwas Gutes gibt (außer Leads für meine Blog-Challenges und hin und wieder ein bisschen organische Sichtbarkeit), ich es trotzdem noch nutze. Vielleicht, … weil ich süchtig bin? Was ja kein Zufall und auch keine Schwäche meinerseits ist, sondern die absichtlich herbeigeführte Reaktion, damit ich noch länger durch Facebook & Co. scrolle, damit mir noch mehr Werbeanzeigen angezeigt werden können. Echt, es ist so absurd, wenn ich darüber nachdenke.

Ok, wenn ich Facebook den Rücken kehre, kann ich doch als Blog-Expertin voll auf meine Webseite und auf Google setzen, oder? Das Problem ist: Auch Google wendet fragwürdige Praktiken an und ist stark enshittifiziert: „Today’s Google results are an increasingly useless morass of self-preferencing links to its own products, ads for products that aren’t good enough to float to the top of the list on its own, and parasitic SEO junk piggybacking on the former.“ Das stimmt leider: Bei vielen Google-Suchen finde ich stark seo-optimierte Blogartikel, die im ersten Absatz erst mal ordentlich Keyword-Stuffing betreiben, damit sie besser gefunden werden. Google sagt zwar regelmäßig, dass sie immer die wirklich besten Inhalte in den Suchergebnissen zeigen möchten, aber auch Google reibt sich im Spannungsfeld zwischen Nützlichkeit und Profitstreben ordentlich auf.

Jede Plattform, die ich nutze, um neue Kunden zu finden oder Werbeanzeigen zu schalten, baut eine Abhängigkeit auf. Wir können uns also entscheiden, von welcher Plattform wir abhängig sein möchten:

  • Von Facebook, also Meta? Gruselig…
  • Wie wäre es mit Google? Einem Unternehmen, das seinem früheren Claim „Don’t be evil“ schon lange abgeschworen hat?
  • Wollen wir von Youtube abhängig sein? Gehört zu Google, äh Alphabet.
  • Oder, wenn du deine Kunden v. a. über Buchverkäufe generierst: von Amazon? Eine Plattform, die uns schon lange nicht mehr die besten Ergebnisse anzeigt, sondern die, für die die Verkäufer am meisten geboten haben. <– Das ist übrigens DER Grund dafür, warum die Suchergebnisse bei Amazon so schlecht geworden sind.

Die Frage lautet also: Welche Plattform ist noch nicht so übel, als dass ich moralisch vertreten kann, sie zu nutzen? Die Antwort ist: Wir haben immer irgendeine Art der Abhängigkeit. Vielleicht müssen wir einfach akzeptieren, dass wir, sobald wir selbständig sind, ein Online-Business haben bzw. digital sichtbar werden, gewissen Abhängigkeiten unterworfen sind. So, wie Angestellte abhängig von ihrem Arbeitgeber sind, sind wir Online-Unternehmer abhängig von Facebook, Google oder anderen Unternehmen, die früher oder später in ihrem Profitstreben enshittifizieren.

Die größte Unabhängigkeit im Digitalen haben wir mit unserem Blog

Sobald wir digital sichtbar werden, haben wir also immer eine gewisse Art von Abhängigkeit. Aber: Es gibt deutliche Abstufungen dieser Abhängigkeit – und die sollten wir nutzen! Am meisten Freiheit und Unabhängigkeit haben wir in einer möglichst algorithmus-freien Umgebung. Also: auf unserem Blog! Hier beruht unsere Abhängigkeit „nur“ auf Suchmaschinen. In der Vergangenheit hat sich der Marktführer Google eher als Verbündeter der Blogosphäre erwiesen, denn Google „darf“ nicht zu sehr entshittifizieren: Sobald die Suchergebnisse nicht mehr gut genug sind, wandern die Leute ab – und zwar viel schneller, als sie z. B. von Facebook abwandern würden. Google weiß das, deshalb können sie in ihrem Profitstreben nicht zu viel rauspressen und z. B. die ersten 10 Suchergebnisse mit bezahlten Werbeanzeigen bestücken – dann hätten viele Leute die Nase voll und würden z. B. lieber Bing benutzen. Die Tatsache, dass nicht erst alle Freunde ebenfalls zu Bing wechseln müssten, damit Bing einen sinnvollen individuellen Nutzen hat, spielt da eine sehr große Rolle. Bei Suchmaschinen gibt es, verglichen mit Social Media, ein relativ ausgewogenes Machtverhältnis zwischen Usern und Anbieter.

Zudem: Sollte mir Google jemals Stöcke zwischen die Beine werfen und mich z. B. komplett aus dem Suchindex werfen, ist mein Blog ja immer noch da. Bei Google nicht gelistet zu sein, ist zwar sehr uncool aber es ist eine ganz andere Hausnummer, als bei Meta gesperrt zu werden, wo dann wirklich alles weg ist: Das Profil, alle Postings, alle Follower und wenn man ein Werbekonto hatte, sind auch hier alle Daten weg. Das kann uns bei unserem Blog nicht passieren.

Auf unserem Blog gilt: My Blog is my Castle! Hier können wir uns ausdrücken, wie wir es wollen – ohne dass wir in das starre Raster z. B. von Instagram gedrückt werden. Und ohne, dass unsere Blogartikel in einem algorithmusbasierten Feed um Aufmerksamkeit konkurrieren müssen und womöglich untergehen. Wenn wir im Digitalen frei sein wollen, sollten wir uns von Algorithmen möglichst fernhalten.

Deshalb ist für mich klar: Voller Fokus auf meinen Blog – wie ja schon seit immer, seit ich blogge! Zum Glück gehöre ich nicht zu denen, die Ende der Nullerjahre ihren Blog aufgegeben haben, um bei Facebook „zu bloggen“. Und: wenn ich in der Ära der Algorithmen sichtbar bleiben möchte, muss ich meinen Newsletter weiter aufbauen. Denn so lande ich, vollkommen algorithmusfrei, im Posteingang meiner Abonnenten (bei E-Mails wird alles chronologisch und ggf. noch thematisch sortiert). Auch aus Sicht der Abonnenten ist es sinnvoll, Newsletter zu abonnieren: So können wir ein Gegengewicht gegen Social Media schaffen und mit genau den Leuten in Kontakt bleiben, die uns interessieren. Denn wie oft haben wir schon erlebt, dass wir z. B. auf Facebook jemanden einfach nicht mehr gesehen haben? Dabei hat die Person regelmäßig gepostet. Sie wurde uns einfach nicht mehr angezeigt, weil Facebook die Sichtbarkeit dieser Person deutlich reduziert hat. Wollen wir uns wirklich von einem Algorithmus diktieren lassen, wessen Texte wir lesen und mit wem wir interagieren? Deshalb bin ich selbst großer Newsletter-Fan und habe zig Newsletter abonniert!

Trotz meines eigenen Blogs und Newsletters frage ich mich aber: „Will ich auf Social Media wirklich nicht mehr sichtbar sein?“ Alleine schon die schiere Größe von Social Media ist ja schon ein Statement: YouTube ist nicht nur eine Social-Media-Plattform, sondern auch eine der größten Suchmaschinen der Welt. Aber wenn ich schon Social Media nutze, dann mit einem deutlich reduzierten Risiko: Ich muss meine Abhängigkeit besser verteilen, indem ich parallel zu Facebook z. B. YouTube als Werbeplattform angehe (Pinterest hat für uns ja leider nicht funktioniert. Wir bleiben dort trotzdem dran).

Freiheit und Unabhängigkeit sind für mich sehr wichtige Werte. Deshalb will ich einfach nicht so abhängig von einer einzigen Plattform sein! Und ganz besonders nicht von Facebook, also einer launischen Plattform, die mich sperrt, ohne mich überhaupt anzuhören! Facebook und ich, wir sind nicht auf Augenhöhe. Es ist eine ungleiche Beziehung, die zu meinen Lasten geht. Ich bin gespannt, was die Zukunft bringt. Eines habe ich in den letzten Jahren gelernt: Es ist im Online-Business wahrscheinlich unmöglich, komplett unabhängig zu sein und nur moralisch einwandfreie Plattformen/Tools zu nutzen.