Die Blogosphäre ist die Gesamtheit aller Blogs und eine virtuelle Gemeinschaft. Der Begriff „Blogosphäre“ setzt sich aus den Wörtern „Blog“ und „Sphäre“ zusammen und bezieht sich auf den digitalen Raum, in dem Blogs existieren. Eine Blogosphäre kann sich auf ein bestimmtes Thema oder eine bestimmte Nische konzentrieren, wie zum Beispiel Mode, Technologie, DIY, Finanzen, Politik oder persönliche Entwicklung. Es gibt darüber hinaus auch sprachspezifische Blogosphären, z. B. die englischsprachige oder deutschsprachige Blogosphäre. Blogger können in der Blogosphäre ihre Stimme erheben, Meinungen teilen, Fachwissen verbreiten und sich mit anderen Bloggern vernetzen. Die Leser wiederum können von den Inhalten profitieren, neue Perspektiven entdecken und in Diskussionen und Dialogen teilnehmen.
Die Größe der deutschsprachigen Blogosphäre wird auf 50.000 bis ca. 300.000 aktive Blogs geschätzt. Aktiv bedeutet dabei: Es wird mindestens ein Blogartikel pro Monat veröffentlicht. Die Zahl der inaktiven, aber immer noch erreichbaren Blogs geht wahrscheinlich in die Millionen. Dennoch zählen meiner Meinung nach diese inaktiven Blogs auch zur Blogosphäre, da die Blogartikel auf diesen inaktiven Blogs immer noch gelesen, kommentiert und verlinkt werden können.
“Blogosphäre” ist kein wissenschaftlicher Begriff, daher ist eine genaue Definition oder Abgrenzung schwierig. Diese schwierige Abgrenzung zeigt sich alleine schon bei der Frage: Was ist ein Blog? Hier gehen die Meinungen und Definitionen teilweise auseinander. Deshalb ist es z. B. auch schwer, die Größe der Blogosphäre zu bestimmen.
Wie werde ich Teil der Blogosphäre?
Ganz einfach: Indem du bloggst :-) Mit deinem ersten Blogartikel bist du ein Blogger – und damit auch Teil der Blogosphäre. Du musst dich nirgendwo anmelden, um der Blogosphäre beizutreten. Die Blogosphäre ist ein virtuelles Netzwerk ohne Oberhaupt oder Aufsicht (deshalb ist eine Zählung der aktiven Blogs auch so schwierig). Du kannst deine Vernetzung und Sichtbarkeit innerhalb der Blogosphäre deutlich steigern, indem du auf anderen Blogs kommentierst und indem du andere Blogger und Blogartikel verlinkst.
Gehört Social Media auch zur Blogosphäre?
Viele Leute denken, sie könnten z. B. auf Facebook oder Instagram bloggen. Aber: Bloggen können wir nur auf einem Blog. Wenn wir z. B. auf Facebook oder LinkedIn etwas veröffentlichen, ist das, selbst bei langen Texten, nicht “bloggen”, sondern “posten” (bei LinkedIn gibt es sog. “Artikel”, die funktionieren quasi wie Blogartikel). Es ist wichtig, diesen Unterschied zu kennen: Als User auf Instagram, TikTok, LinkedIn oder Facebook sind wir nur zu Gast auf einer Plattform, die uns jederzeit grundlos sperren und unsere Inhalte löschen könnte. Oder, wie Sascha Lobo es in einer Kolumne vom 17. April 2012 (!) so schön gesagt hat: Dieser Teil des Internets ist nur geborgt: “Eigentlich ist es eine Banalität und sollte gar nicht mehr erwähnt werden müssen: Daten auf sozialen Netzwerken müssen unter allen Umständen so behandelt werden, als könnten sie jederzeit verloren gehen. Denn sie können jederzeit verloren gehen. Trotzdem scheint die Welt likebegeistert anders zu handeln: All ihr digitales Schaffen findet im geborgten Internet statt. (…) Aber wer auf seine digitale Freiheit Wert legt, für den bleibt – solange freie Social Networks wie Diaspora noch irrelevant sind – nur das schönste, aber anstrengendste Instrument für die soziale Vernetzung und das Teilen von Inhalten übrig: die selbst kontrollierte Website, also das Blog.”
Nur auf unserer eigenen Webseite mit Blogfunktion sind wir wahre Blogger
Nur unser Blog gehört wirklich uns. Nur dort haben wir die Hoheit über unsere Inhalte und über unser Design. Nur auf unserem Blog können wir wirklich gut andere Inhalte und Webseiten verlinken. Apropos Links: Sie sind der Klebstoff des “wahren” Internets. Dass Social-Media-Plattformen das Verlinken quasi unmöglich machen oder zumindest nicht besonders dazu ermutigen, ist kein Zufall. Ich sage nur “Link in Bio” bei Instagram. Also die mega umständliche Suche nach Links, weil man bei Instagram in Postings nicht direkt Links setzen kann (aber mittlerweile immerhin in der Story). Social-Media-Plattformen wollen nicht, dass wir die Plattform verlassen. Wir sollen möglichst lange durch unseren Feed scrollen, um möglichst viele Werbeanzeigen zu sehen, die die Plattformen für möglichst viel Geld verkaufen können. Vielleicht ist dir auch schon mal aufgefallen, wie schlecht eines deiner Postings auf Facebook performt, wenn du einen Link teilst. Denn, klar: Facebook will nicht, dass du deine Freunde dazu aufrufst, die Plattform zu verlassen.
Hier in diesem Blogartikel habe ich die Vor- und Nachteile von einem Blog und Instagram gegenübergestellt. Mein Fazit lautet: Unser Blog ist unschlagbar. Und: Social Media gehört NICHT zur Blogosphäre!
Sind auch Instagram-Influencer Teil der Blogosphäre?
Ja, wenn sie zusätzlich zu ihrem Instagram-Profil auch einen Blog haben. Viele Influencer sind allerdings nur auf Instagram unterwegs. Deshalb zählen sie nicht “offiziell” zur Blogosphäre, da die Blogosphäre der Definition nach nur aus Blogs besteht. Instagram hat quasi seine eigene Sphäre, also eine “Insta-Sphäre”.
Der Aufstieg der Blogosphäre: Die goldenen Blogjahre Ende der 90er bis Ende der 2000er.
Mit dem Aufkommen der ersten Messageboards und Webseiten entstanden in den 90ern Netzwerke aus Menschen mit gleichen Interessen. Damals war das noch eine sehr technische Angelegenheit: Wer eine eigene Webseite aufsetzen wollte, musste mit FTP-Servern hantieren und programmieren können. Eine Internetverbindung aufzubauen und etwas hoch- oder runterzuladen, war zudem auch recht kostspielig. Die Blogosphäre war in den Anfangszeiten stark männlich geprägt.
Den ersten großen Wachstumsschub hatte die Blogosphäre, als mit Anbietern, wie Blogger.com der Setup eines Blogs viel einfacher wurde. Der zweite große Wachstumsschub kam mit WordPress, also mit DEM Content-Management-System (CMS), das sich zum dominierenden Blog-System entwickeln sollte und mit den ersten (relativ) günstigen Hosting-Angeboten Anfang/Mitte der Nullerjahre. Mit WordPress und dem günstigen Hosting war der Weg geebnet, um viele Leute in die Blogosphäre zu holen, für die früher das Bloggen zu technisch war. So entstand Anfang/Mitte der Nullerjahre eine sehr lebendige deutschsprachige Blogosphäre mit zigtausenden Blogs rund um Lifestyle, Technik, Medien, DIY, Feminismus, Finanzen, Werbung, Musik usw.
Die Blogosphäre wuchs: Es gab Rankings der besten und besucherstärksten Blogs (das legendäre deutscheblogcharts.de – mittlerweile gibt es die Seite gar nicht mehr. Wie so viele Blogs von damals). Wir sind über „Stöckchen“ gesprungen (heute nennt man das „Blogparade“) und wir haben mit „Hustle the Sluff“ eine digitale Schnitzeljagd gemacht, die mich bis nach Berlin geführt hat (hier in diesem Blogartikel habe ich diese Aktion beschrieben). Wir haben neue Tools und Anwendungen aufgesogen. Damals habe ich zehntausende Bilder auf Flickr hochgeladen. Es war unser Instagram der Nullerjahre.
Blogs wurden als Werbeplattform entdeckt und Werbebanner, Linkkauf und Linktausch waren ein häufiges Phänomen. Damals wurde sehr viel auf Blogs kommentiert und verlinkt. Auf vielen Blogs gab es eine sog. “Blogroll”: In der rechten Seitenleiste waren die Lieblingsblogs oder thematische passende Blogs aufgelistet und verlinkt. Viele Blogparaden und reale Treffen, wie die re:publica (die quasi als “Blog-Klassentreffen” gestartet war), pl0gbars und BarCamps, trugen weiter zur Vernetzung innerhalb der Blogosphäre bei. Die Blogosphäre hatte ihre eigenen Skandale und Scheitern-Stories, wie z. B. die ersten Mommy-Wars (die Frage “darf ich mein Kind im Internet zeigen?” wurde damals sehr heiß diskutiert) und die Geschichte rund um das gescheiterte deutsche Blog-Werbenetzwerk Adical bzw. Adnation. Die Blogger wollten sich, trotz ihres Wunsches, ihre Blogs zu monetarisieren, nicht so offenkundig vermarkten lassen. Aber die Vereinnahmung des wilden, anarchischen Web2.0 durch Unternehmen und Werbeplattformen schritt dennoch voran.
Der Niedergang der Blogosphäre
Und dann kam Facebook. Das soziale Netzwerk, das zunächst angetreten war, um Studentinnen nach Attraktivität zu sortieren, hat sich später darauf verlegt, Kommilitonen an US-Universitäten zu vernetzen. Als Facebook diese Zielgruppen-Hürde genommen hat und sich für alle Menschen geöffnet hat, wurde diese Plattform schnell zu DER international dominierenden Social-Media-Plattform. Facebook kam 2008 auf den deutschen Markt. In den ersten Jahren lag der Fokus bei Facebook v. a. auf dem persönlichen Vernetzen: Der Anspruch von Facebook war es, aus den ganzen Postings der Leute, mit denen man befreundet war, die besten und interessantesten Inhalte zu einem individuellen Feed zusammenzustellen. Das hat auch erst mal gut funktioniert. In dieser Blütezeit Ende der Nullerjahre sind viele Blogger zu Facebook abgewandert.
Der große Kommentar- und Link-Staubsauger namens Facebook
Als viele Blogger gegen 2008/2009 ihre Blogs stillgelegt und auf Facebook “gebloggt” haben, kam ein zweites Phänomen hinzu: Facebook hat eine “Gated Community” erschaffen und die Kommentare und Links wie ein Staubsauger an sich gerissen. Die Falle war zugeschnappt: Blogger, die ihre Blogartikel auf Facebook geteilt haben, haben das zuerst zu spüren bekommen: Sie haben unter ihrem Blogartikel kaum noch Kommentare bekommen – aber unter ihrem Facebook-Posting zum Blogartikel ging die Kommentar-Post ab. Das hat viele Blogger dazu bewogen, nur noch auf Facebook aktiv zu sein und ihre Blogs einzustellen. Aber diese Kommentarflut auf Facebook nahm mit der Zeit ab. Heute bestehen die meisten Reaktionen auf längere Postings oder geteilte Blogartikel in einem Like (der Like-Button ist ein Feature, ohne das wir uns heute das Internet nicht mehr vorstellen können. Aber: Dieses Feature war nicht von Anfang da!) oder in 2-Wort-Kommentaren. Manchmal kommentieren die Leute sogar nur noch mit Emojis.
Um es kurz zu sagen: Facebook hat die Blogosphäre zuerst radikal trockengelegt und die Kommentar-Hoheit an sich gerissen, nur um die lebendige Kommentarkultur dann ebenfalls radikal ver-liken, äh verkümmern zu lassen.
Enshittification of Facebook
Facebook hat die wechselwilligen Blogger der ersten Stunde sehr mit organischer Aufmerksamkeit und Reichweite verwöhnt. Eines Tages war die Reichweite aber weg und das Geschrei groß: Facebook wollte sich Anfang der 2010er Jahre die Reichweite bezahlen lassen. Wir sollten damals Facebook-Seiten für unsere Blogs bzw. Projekte erstellen und selbst wenn jemand unsere Facebook-Seite abonniert hat, war die Wahrscheinlich sehr niedrig, dass unsere Postings in seinem Feed auch angezeigt wurden. Mit ein paar Euro ließ sich dieses Problem beheben: Aus einem normalen Posting wurde ein “Sponsored Post”, der schnell hunderte und tausende Views bekommen hat. Dumm nur, dass diese Zahlen schnell runtergingen, dafür gingen die Preise für Reichweite hoch. Aber die ehemaligen Blogger saßen in der Content-Falle: Sie haben ihre Blogs ja zugunsten von Facebook aufgegeben. Viele Domains wurden stillgelegt, die Blogs wurden teilweise sogar komplett offline genommen, denn eine Webseite kostet ja Geld, auch wenn wir dort nicht mehr bloggen – im Gegensatz zu Facebook, das immer kostenlos ist.
Diesen Prozess, die User zuerst mit tollen Features und Reichweite zu verwöhnen, nur um sie in die Content-Falle zu locken und ihnen dann diese kostenlose Reichweite wie einen Teppich unter den Füßen wegzuziehen, hat Cory Doctorow “Enshittification” genannt: Eine Plattform wird zu ihren Usern, platt gesagt, scheiße. Zufälligerweise tritt die Enshittification fast immer kurz vor einem Börsengang auf: Facebook ging 2012 an die Börse, die Enshittification hat kurz davor eingesetzt. Im Bestreben, ihre Nutzerbasis zu monetarisieren, verlieren viele Plattformen ihre User, Features und Usability aus den Augen. Das Gleiche haben wir z. B. auch bei Pinterest und Twitter gesehen. Das neueste Beispiel ist aktuell Reddit: Ich werde meine Lieblings-Reddit-App „Baconreader“ nicht mehr nutzen können, weil Reddit horrende Summen von den App-Entwicklern für die Nutzung der Schnittstelle verlangt. Diese Apps werden dann wohl den Dienst einstellen. Und das ist auch genau das Ziel: Die User sollen nur noch die offizielle Reddit-App nutzen. Leider ist sie für mich unbrauchbar. Wie es der Zufall will, geht Reddit voraussichtlich noch dieses Jahr an die Börse.
How to Monetarisierung für Blogger?
Aber es wäre zu viel der Ehre, alleine nur Facebook die Schuld am Niedergang der Blogosphäre zu geben: Viele Blogs sind schlicht am Spannungsfeld gescheitert, unabhängig zu bleiben, sich aber auch irgendwie finanzieren zu müssen. Nur wenige Blogger haben es damals geschafft, finanziell vom Bloggen zu profitieren. 2009 hat Robert Basic seinen Blog “Basic Thinking” für 46.902 Euro versteigert – ein sagenhafter Preis damals! Und das vielleicht prominenteste Beispiel für den “Ausverkauf” der Blogosphäre. Andere Blogger haben es mit Werbeanzeigen und einem Spendenbutton auf ihrer Webseite probiert. Rückblickend finde ich es faszinierend, wie verpönt es damals war, direkt mit dem Bloggen Geld zu verdienen. Als ob wir alle mit unserem Blut einen Bloggerkodex unterschrieben hätten, der uns zur ewigen finanziellen Enthaltsamkeit verpflichtet: Bloß nie Geld verdienen, denn dann wären wir ja unglaubwürdig! Der Witz ist: Ich habe damals schon durch das Bloggen Geld verdient – aber eben nicht direkt. Durch meinen Blog wurden die Werbeagenturen auf mich aufmerksam und haben mich als Freelancer gebucht. Auch das war der Grund, warum ich meinen Blog nie auf Facebook “verlagert” (also eingestampft) habe. Denn ich wusste damals schon: Auf Facebook werde ich garantiert nicht so gut gefunden, wie durch eine schlichte Google-Suche. Deshalb war für mich klar: Ich blogge weiter.
Die großen Abmahnwellen
Hinzu kamen weitere uncoole Phänomene, die das Bloggen zu einem gewagten Abenteuer gemacht haben: Diverse Abmahnwellen, befeuert durch die dahingehend schwache Rechtssprechung in Deutschland, fegten über die Blogosphäre hinweg, wie z. B. vom Outdoor-Bekleidungshersteller Jack Wolfskin, der dutzende Hobbynäherinnen abgemahnt hat, die es gewagt hatten, eine Tiertatze z. B. auf ein Kissen zu nähen. Unvergessen auch, als der Werbeblogger abgemahnt wurde, weil er in einem Blogartikel “Heidi Klum” erwähnt hat. Vordergründig ging es, so wie ich es verstanden habe, ums Markenrecht, wogegen der Werbeblogger aber nicht verstoßen hat. Eigentlich war es wohl der Versuch, den kritischen Blogartikel vom Netz zu nehmen. Und dann die epische Abmahn-Operette rund um Nerdcore. Weitere Blog-Abmahnwellen waren “Marions Kochbuch” und, ebenfalls episch, der Streisand-Effekt: 2003 verklagte Barbra Streisand den Fotografen Kenneth Adelman und Pictopia.com erfolglos auf Zahlung von 50 Millionen US-Dollar Schadensersatz mit der Begründung, auf einer der dort veröffentlichten 12.000 Luftaufnahmen der Küste Kaliforniens, die die Küstenerosion dokumentierten, sei ihr Haus zu sehen. Das war bis dahin nicht bekannt, doch nachdem Streisands Klage die Verbindung zwischen dem Foto und ihrem Anwesen hergestellt hatte, verbreitete sich das bis dahin unwichtige Foto lawinenartig im Internet. (Wikipedia) Klar, die meisten dieser Abmahnungen sind dann ver(strei)sandet. Es kam nur selten dazu, dass Blogger wirklich zahlen mussten. Aber die Abmahnungen haben trotzdem gewirkt: Vor allem viele Frauen haben sich nicht mehr getraut, einen Blog zu starten oder weiterzubloggen – aus Angst vor Abmahnungen.
Die Abmahnwellen haben nie wirklich aufgehört: Im Jahr 2022/2023 ging wieder eine große Abmahnwelle durch die Blogosphäre, diesmal betraf es Webseiten und Blogs, die Google Fonts benutzt haben. So hat die Blogosphäre jedes Jahr ihre Abmahnungen. Es ist ein digitaler Reigen, der in Deutschland leider nie aufhört.
Twitter: eine echte Blogalternative mit 140 Zeichen?
Aber hey, warum einen Blog starten, wenn man auch twittern kann? Während des großen Blogsterbens haben sich viele Diskussionen auf die Microblogging-Plattform Twitter verlagert – und dort eine Schärfe angenommen, die wir aus der Blogosphäre gar nicht kannten. Aber, puh, die Interaktionsraten waren auf Twitter viel höher, als auf den allermeisten Blogs. Und klar, ist das cool, auf Twitter viele Likes, Antworten und Retweets auf ein (damals noch) 140 Zeichen kurzes Posting zu bekommen. Im Gegensatz dazu ist ein Blogartikel viel länger und dadurch anstrengender zu schreiben – und dann kommentieren auch noch genau NULL Personen! Der Teil der Blogosphäre, den der Kommentarstaubsauger Facebook nicht erwischt hat, wurde anschließend von Twitter weichgeklopft.
Byebye Google-RSS-Reader!
Am 1. Juli 2013 hat dann Google seinen RSS-Reader eingestampft – das war vielleicht der Todesstoß für die Blogosphäre. Denn: Wie kann uns Google in den Rücken fallen? Zumal die Blogger die größte Suchmaschine der Welt als DEN Partner angesehen haben, um Webseitenbesucher und Leser zu bekommen. Google und die Blogger, das war DAS Gegengewicht zu Facebook! Glaubte Google etwa nicht mehr an die Blogosphäre? Das war wahrlich ein trauriger Moment für das deutsche Web2.0.
Die DSGVO: Der vorerst letzte Sargnagel für die deutsche Blogosphäre
Der letzte große Paukenschlag kam 2018: Die DSGVO, also die Datenschutzgesetze, die vom selbsternannten Datenschutzweltmeister (und zugleich Internetzwerg) Deutschland besonders streng ausgelegt wurden. Die DSGVO hat sich eigentlich an Unternehmen wie Facebook und Amazon gerichtet, die also große Mengen an persönlichen Daten von Usern und Käufern verarbeiten und verkaufen. Aber: dummerweise wurde nicht bedacht, diese Gesetze an Normalmenschen, Blogger und kleine Forenbetreiber anzupassen. Und so hatten Blogger und kleine Forenbetreiber plötzlich die gleichen Datenschutzauflagen, wie Unternehmen mit Milliardenumsätzen. Und dann kamen sie wieder, die Abmahnungen! Diese Episode hat erneut zu einem großen deutschen Contentsterben geführt (viele Wikis, Foren und Blogs sind damals verschwunden. Schade!), weil viele Webseitenbetreiber diese Auflagen nicht erfüllen konnten bzw. wollten. Die Abmahngefahr war bei einer nicht ganz korrekten Datenschutzerklärung, einer Kommentarfunktion oder bei einem nicht vorhandenen Auftragsdatenverarbeitungvertrag (alleine schon das Wort…) einfach zu hoch. Warum sollten Leute, die einen Hobbyblog haben, sich solch einem hohen finanziellen Risiko aussetzen? Hinzu kam die Impressumspflicht, die, schon wieder, viele Frauen abgeschreckt hat: Sie wollten oft nicht mit ihrem Klarnamen und ihrer Adresse im Netz auffindbar sein. Tja, wenn Hobbyblogs rechtlich mit Zeitungen gleichgestellt werden, gibt es eben Kollateralschäden.
90 % der Blogs sind verschwunden
Und so ist die deutsche Blogosphäre radikal geschrumpft. Ich habe keine offiziellen Zahlen zur Hand, aber alleine in meinem Umfeld ist von den ca. 10 Blogs von damals nur noch meiner aktiv. Ich glaube, das könnte hinkommen: Von 10 Blogs, die in den Nullerjahren aktiv waren, sind 9 verschwunden.
Eine neue Blog-Hoffnung
Leider hat die Blogosphäre heute nicht mehr den Stellenwert, den sie in den Nullerjahren hatte. Aber: Es gibt Hoffnung. Facebooks Enshittification geht den Leuten zunehmend auf die Nerven und viele wenden sich bewusst von der Plattform ab. Es gibt eine Bewegung von Leuten, die, nach einem Jahrzehnt an der Social-Media-Nadel, das Bedürfnis haben, clean zu werden. Sie starten neue Blogs oder reaktivieren ihre alten Webseiten (glücklich, wer damals eine Datenbanksicherung seines Blogs gemacht hat). Hilfreich für das Wiederaufleben der Blogosphäre ist die geradezu heilsame und auf jeden Fall augenöffnende Erfahrung einer Facebook-Sperre, die mittlerweile nicht nur mich, sondern auch viele andere in meinem Bekanntenkreis getroffen hat. Diese existentielle Krise, wenn uns eine Plattform ausschließt, vor allem, wenn wir diese Plattform auch beruflich nutzen! Und wenn wir beim Versuch, den Kundensupport zu kontaktieren, in einem verschachtelten Wirrwarr von automatischen und nichtsnutzigen E-Mails landen! Diese Verzweiflung kann nur jemand verstehen, der das selbst auch erfahren hat. All diese Leute wissen, wie wichtig die eigene Plattform ist. Auf einer kostenlosen Plattform gilt die Devise: Wir sind die Ware. Und selbst wenn wir vier- oder fünfstellige Summen für Werbeanzeigen bezahlen: Wenn etwas schiefgeht, ist das der Plattform egal. Kundenzufriedenheit und Support kosten Geld, Profit geht vor. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Ich bin immer noch großer Fan von Social Media. Aber ich habe gelernt, die Plattformen als das zu sehen, was sie sind: Fragile Sandburgen am Strand, die schon mit der nächsten Welle fortgerissen werden könnten.
Blogs waren schon vor Social Media da. Und sie werden Social Media überleben
Die Blogger, die all das überstanden haben und die trotzdem weitergebloggt haben, stehen heute gestählt da. Heute haben sich viele Blogger professionalisiert und verdienen in irgendeiner Art und Weise Geld mit ihrem Blog. Während sich auf Social Media alle paar Monate die Spielregeln ändern (macht Live-Videos! Macht Karussell-Postings! Macht Reels!), gelten beim Bloggen immer noch die gleichen Regeln, wie vor 20 Jahren: Guter Content setzt sich durch. Das Verspielte, Anarchische und Experimentelle der ersten Blog-Welle ist großteils verschwunden. Heute dominieren Businessblogs und Contentprojekte die Blogosphäre, es geht ums große Geld. Die Stichworte sind “Onlinebusiness”, “passives Einkommen” und “mehrere Einkommensströme”.
Die Blogosphäre erholt sich
Ich spüre deutlich die Anzeichen einer neuen Blog-Hochzeit (mit langem o): Es wird wieder mehr verlinkt und auch mehr direkt unter den Blogartikeln kommentiert. Sogar innerhalb der Businessblogs erwacht die Link-Laune. Lange Zeit haben Businessblogs kaum auf andere Blogs verlinkt, um bloß nichts vom eigenen “Linkjuice” abzugeben. Es war ein eifersüchtiges Linkknausern, das jetzt aber langsam aufbricht. Viele backlink-süchtige Businessblogger erkennen, dass das Verlinken ein Geben und Nehmen ist. Die Kraft der Verlinkung führt zu einem zweiten Blogfrühling!
Podcasts wandern jetzt auch langsam in die Blogosphäre ein (immer mehr Podcaster erstellen für ihre Podcastfolgen Blogartikel, um besser gefunden zu werden) und beleben die Blogs mit Ton und Stimme.
Ich will „meine“ Blogosphäre zurück!
Von 2005 bis 2018 stand ich als Hobbybloggerin und sporadische Businessbloggerin mit Content-Ängst am Spielfeldrand der großen, wilden Blogosphäre. Heute, als vielbloggende, dynamische Businessbloggerin, habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, die deutschsprachige Blogosphäre wiederzubeleben. Ich will Blogparaden wieder salonfähig machen. Ich will mit meinen Challenges und Kursen wieder den Verlinkungs-Motor anwerfen und eine lebhafte und positive Kommentarkultur etablieren. Und vor allem will ich den Digitalmenschen und allen, die quasi in Social Media leben, klarmachen: Social Media ist kein Ersatz für unsere eigene Webseite. Unser Blog ist ein MUSS, wenn wir nachhaltig sichtbar werden wollen. Wenn wir frei und unabhängig sein wollen, müssen wir bloggen statt posten! Oder, noch besser: Bloggen UND posten! Aber, klar, mit Fokus aufs Bloggen ;-)
Eine sehr lesenswerte Geschichte der deutschen Blogosphäre bis 2015 findest du hier bei Basic Thinking.
Liebe Judith, vielen Dank für diesen Artikel und für deinen unermüdlichen Einsatz für den Blog, die Blogger und die Blogosphäre!
Ich weiß gar nicht mehr so genau, wann ich mit dem Bloggen angefangen habe. Muss so Ende der 80er – Anfang der 90er gewesen sein. Damals noch bei AOL und mit kostenlosen Domainnamen. Denn damals wie heute bin ich eine reine Hobbybloggerin. Mein Blog – damals wie heute – dreht sich ausschließlich um mein Hobby – das Malen und das Zeigen meiner Bilder. Damals rein auf die Airbrushtechnik bezogen. Eine Nische, in der ich aber nicht alleine war. Man hat sich untereinander verlinkt. Artikel bei den anderen gelesen, Fragen gestellt und kommentiert. Es war einfach lebendig.
In den 2000er habe ich meinen Blog eingestampft. Eigentlich genau zu der Zeit, als auch den Foren die User zugunsten von Facebook abhandengekommen sind. Die ganze online Landschaft hat sich verändert und die Nutzer und die Art der Kommunikation ebenso. Das ganze Geschehen rund um Social Media, wie dort agiert wird und wie die User dort (aus)genutzt werden; wie dort manipuliert wird und wie menschenverachtend dieses System eigentlich ist, hat mich bewogen, im Mai dieses Jahres wieder einen Blog aufzusetzen.
Wieder als Hobby und einfach weil es mir Spaß macht und weil ich glaube, dass ich in meiner Nische etwas zu sagen habe, was andere wissen wollen und was sie interessiert. Weil ich andere gerne inspirieren und motivieren möchte, selber kreativ zu werden. Weil ich manchmal (besonders bei meinen kleinen Geschichten) mehr zu schreiben habe, als dass es in ein Instagram Posting passt. Und weil ich die Kurzlebigkeit bei Social Media mehr als anstrengend finde. Es wird dort soviel wertvoller Inhalt gepostet. Aber wenn ich nach drei Monaten nochmal einen bestimmten Workshop, ein hilfreiches Tutorial oder einen interessanten Artikel wiederfinden möchte … vergiss es. Nein – das will ich so nicht mehr.
Mein neuer Blog ist noch ganz am Anfang. Und als reiner Hobbyblog fühle ich mich schon ein wenig verloren. Aber ich hoffe und vertraue darauf, dass es eine Blogosphäre 2.0 geben wird. Meinen Blog habe ich bei zwei Blogverzeichnissen angemeldet und ich werde einfach mehr oder weniger 😉 regelmäßig meinen Senf …. äh Content in die Welt hinaus schreiben.
Deine Artikel motivieren mich und geben mir eine ganze Menge neuer Impulse. Dafür ein ganz herzliches Danke schön 💐
Vielen Dank für diese Zeitreise durch die Blogosphäre, liebe Judith! Es lebe die digitale Freiheit und die eigene Datenhoheit – das kann nur ein Blog (jedenfalls für Mikroplayer wie mich). Schade, hat sich z.B Diaspora nicht durchgesetzt. Wer weiss, was noch kommt 😄
Die Sargnägel hast du wunderbar beschrieben. Ich selbst habe meinen Content auf Xing geteilt und in den entsprechenden Fachgruppen diskutiert. Ich habe damals einen „Fachartikel“ in meinem Blog geschrieben und diesen dann in einer Xing Gruppe geteilt und dort über den Inhalt „diskutiert“.
Der für mich wichtige Meinungsaustausch wurde in den letzten Jahren auf dieser Plattform immer schwieriger. Über kostenlose Anzeigen in den Marktplätzen habe ich dann noch Aufträge bekomme. Die Sichtbarkeit bei Google ging gegen Null. Xing stellte die Fachgruppen ein und auch den Marktplatz.
Ich habe mich im August 2022 für das Blogging leider entschieden. Ein Aufbau einer Blogroll ist mir in den letzten neun Monaten nicht gelungen. Eine „Vernetzung“ der „Experten“ findet, wenn überhaupt, auf Linkedin statt.
Kommentare in Blogs sind oft leider reine Zeitverschwendung. Der eine Blog bewertet mich als „Bot“ und sperrt mich. Der andere Blog bewertet meine Zahl im Namen als „unerwünscht“ und will man seinen Namen ändern, ist der zeitaufwendige erstellte Kommentar weg. Sorry – es gibt keine Blogosphäre mehr.
Kommentarfunktionen sind auch oft deaktiviert. Die Seiten sind zurück in Web 1.0 nur enttäuschenderweise ohne Comic Fonts und blink tags.
Der nächste Sargnagel ist die KI, die den hilfreichen Content aus den Blogs zieht und die Fragen unserer Leserinnen und Leser in zwei Sätzen beantworten kann. Und damit die KI den Helpfull Content besser nehmen kann, gibt es von Google ja bereits Anleitungen.
Wenn du kaum Leser:innen und kaum Reichweite hast – kannst du den Aufwand für einen Blog einfach sparen. Du wirst von den Suchmaschinen per se nicht angezeigt. und deine Leser:innen teilen deinen Content per se nicht.
Lustige TikToks drehen ist vermutlich halb so aufwendig, du erreichst aber im Moment deutlich mehr.
Hi R23! Ja, die Blogosphäre ist quasi „broken“. Aber ich glaube, dass wir sie wieder reparieren können. Facebook wird nicht ewig existieren und wird vielleicht den gleichen Weg, wie MySpace, Yahoo oder StudiVZ gehen (damals hätten wir ja auch nicht gedacht, dass diese Plattformen mal verschwinden bzw. in die Irrelevanz abdriften könnten). Danke für das Beispiel mit Xing, das habe ich in meiner Auflistung ganz vergessen. Aber klar: Das war mal eine echt gute Plattform und ich finde es extrem schade, wie Xing „enshittifiziert“ wurde und dann gegen LinkedIn aufgegeben hat.
Ich plädiere übrigens auch für die Freischaltung der Kommentarfunktion. Aber viele Blogger denken: Ich kriege ja eh keine Kommentare, also kann diese Funktion auch gleich abschalten. Das führt dann natürlich zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Schade!
Das mit der Künstlichen Intelligenz beobachte ich auch sehr gespannt. Ich glaube aber, dass die KI für dynamische Blogger, wie mich, keine Gefahr ist. Ich blogge ja nicht in erster Linie für ein Ranking oder für Klicks. Ich blogge, weil es mir Spaß macht und weil es mir Klarheit bringt. Ganz zufällig werden meine Blogartikel aber auch gut gefunden und vielfach kommentiert (ok, vielleicht nicht „ganz zufällig“, aber das ist jedenfalls nicht mein Ziel 😉). Damit unterscheide ich mich sehr von den technischen und strategischen Bloggern. Ich glaube, viele von denen werden tatsächlich von der KI „gefressen“.
Zum Thema „Wenn du kaum Leser:innen und kaum Reichweite hast – kannst du den Aufwand für einen Blog einfach sparen.“ Das hat bei mir auch gedauert: Als ich 2018 wieder mit dem Bloggen angefangen habe, habe ich quasi bei NULL angefangen. Mein Blog war mehrere Jahre relativ inaktiv, ich hatte nur sehr wenige Webseitenbesucher und ein schlechtes Ranking. Die Reichweite kommt mit den Themen und mit der Regelmäßigkeit. Es ist wichtig, eine Nische bzw. ein klares Thema zu haben. Und klar: Durchhalten. Die Blogartikel immer wieder optimieren, erweitern, verbessern. Ich bin fest davon überzeugt, dass unser Blog unschlagbar ist. TikTok ist vielleicht jetzt DAS heiße Ding, aber das wird nicht so bleiben. Der Verdrängungswettbewerb bei Social Media ist krass. Beim Bloggen gehen die Uhren wesentlich langsamer, dort ist alles viel entspannter und was vor 20 Jahren galt, ist auch heute noch gültig: Guter Content zählt. Ich glaube, dass sich letztendlich alles darauf wird herunterbrechen lassen: Auf guten Content. Aber gut, ich bin halt die ewige Optimistin 😄
Liebe Judith,
danke für dieses Plädoyer für Blogs! <3 Du sprichst mir damit sowas von aus der Seele.
Ich war damals auch schon bei den Anfängen der Blogosphäre dabei, so ab 2004 herum. Später habe ich mit rund 300 Tutorials zu HTML, CSS und Co. auf neontrauma.de ein ziemlich erfolgreiches Projekt aufgebaut – so um 2010 herum hatte das seine Hochzeit (nochmal ein langes "o" ;-) ).
Und weißt du was, ich vermisse das Bloggen von damals! Wenn ich da einen Artikel veröffentlicht habe, kamen innerhalb weniger Tage dutzende Kommentare zustande. Die Themen wurden auf anderen Blogs aufgegriffen… es gab regionale kleine Bloggertreffen, die ohne teure Tickets und professionelle Workshops auskamen… man kannte sich. Das ist irgendwann komplett eingeschlafen.
Das Facebook-Phänomen hat da sicher zu beigetragen… stellenweise vielleicht auch die simple Tatsache, dass viele Blogger damals als Teenager gestartet haben und im Laufe der Jahre mit Ausbildung, Job und Familiengründung weniger Zeit für das Bloggen hatten oder auch einfach andere Interessen. Bei mir selber war es auch nicht anders. Einige Projekte habe ich eingestellt, andere lagen lange auf Eis und das Auftauen dauert… rückblickend ärgere ich mich etwas über mich selber, dass ich nicht alle Seiten straight weiterbetrieben habe. Aber so ist das als Scanner-Persönlichkeit… ahem.
Aktuell habe ich 6 Blogs und ganz gute Workflows für mich gefunden, aber ich merke auch einfach, dass diese Unbeschwertheit – oder vielleicht eher Unbedarftheit – von früher weg ist. Früher habe ich einfach in die Tasten gehauen. Heute habe ich bei jedem Artikel im Hinterkopf, ob er thematisch passt, jemandem weiterhillft, ob die Keywords sich lohnen, eine gewisse Mindestlänge zustande kommt, und und und. Das sind pro Artikel einfach jedesmal minimum zwei Stunden Arbeit, oft mehr, und die sollen sich dann halt auch "lohnen" und richtig investiert sein. On top dann das chronisch schlechte Gewissen, die Social Media-Werbetrommel zu wenig zu rühren, denn gerade bei den jüngeren Projekten ist es schon echt zäh, auf eine gewisse Reichweite und Interaktionsrate zu kommen. Das ist verglichen mit Insta & Co. schon frustrierend und braucht einen langen Atem.
Ich beobachte auch so wie du, dass allmählich eine Rückbesinnung auf Blogs stattfindet. Allerdings sehe ich einen großen Unterschied zu früher – vielleicht auch wieder dem Erwachsenwerden und der Professionalisierung der Blogosphäre geschuldet – dass die wenigsten Blogs noch rein hobbymäßig betrieben werden. Klar, Affiliate-Links, Sponsored Posts und Werbebanner gab es immer schon. Aber mittlerweile taucht auf fast jedem Blog entweder ein Verkaufsfunnel für irgendwelche Kurse auf oder zumindest ein paar selbstgeschriebene Bücher werden beworben. Persönliche "Blogs" ohne Verkaufsintention sehe ich fast nur noch auf Instagram & Co… vielleicht muss da erst ein ähnliches Desaster geschehen wie mit den ganzen Facebook-Sperren letztes Jahr, ehe wieder mehr Menschen auf eigene Blogs setzen.
Liebe Grüße
Anne
Hi Anne! Ich vermisse das Bloggen von damals auch! Dieses wunderbar anarchische, freie, dieses wilde und kreative Bloggen! Und ja, wie geil das damals war: Zuerst hat der Freundeskreis kommentiert, dann hat irgendjemand den Blogartikel irgendwo verlinkt und dann wurden andere aufmerksam. Wir hatten so viele Kommentare, so viele Links, so viele Real-Life-Treffen, so viel Spaß! Bei mir war das dann tatsächlich so, dass meine Mutterschaft zu meiner Blogflaute beigetragen hat. Aber nicht aus Zeitmangel, sondern v. a. weil ich dachte, ich dürfte meine Kinder nicht zeigen (die „Mommy-Wars“ haben gewirkt). Und: „Ich darf doch auf meiner Webseite als kreative Werbetexterin nicht über meine Kinder schreiben, ich habe doch keinen Mütterblog! Und dann bucht mich doch keine Agentur mehr!“ Ach, ich hatte so viele Mindfucks!!
Was du beschreibst mit der verschwundenen Unbedarftheit, sehe ich auch: Blogs sind heute v. a. Content-Marketing-Projekte. Jeder will jetzt jedem irgendeinen Kurs verkaufen (ich auch 🙈) oder ein passives Einkommen generieren. Ich versuche da die Balance zu wahren: Das Bloggen von damals so gut es geht, beizubehalten und das Bloggen weiterhin als Hobby zu betreiben, auch wenn es Teil meines Business ist. Und dann eben die Business-Perspektive reinbringen, ohne dass ich mir den Spaß am Bloggen dadurch verderben lasse. Ich bin ca. 2021 an diesem Spannungsfeld fast zerbrochen und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Meine Art zu bloggen ist eine ganz andere Herangehensweise, als all die Content-Marketing-Projekte um mich herum! Ich bin eine Mischung aus früherem Lifestyle- und Tagebuch-Blogger und neumodischem Business-Blogger. Ich nehme einfach das Beste aus beiden Welten und erschaffe mir daraus meine Expertenmarke. Ich habe dann ein Wort dafür geprägt: Ich bin eine dynamische Bloggerin! Und ich bin der festen Überzeugung, dass nur unser Blog unser Ding ist: My Blog is my Castle. Ich bin gespannt, wann bei Instagram mal ein Serverfehler passiert und dann einfach mal ein paar tausend Profile mit allen Bildern, Reels und Inhalten gelöscht sind. Wäre ja nicht das erste Mal, dass bei einem Social Network sowas passiert. Instagram, Tiktok & Co. sind halt gut darin, die Einstiegshürde Content zu produzieren, sehr niedrig zu halten. Aber: Social Media funktioniert rein nach dem Aktualitäts-Prinzip: Alles, was neu und aktuell ist, wird gepusht. Und wenn dieser Inhalt Interaktion generiert, wird er weiter gepusht. Nach einigen Tagen flaut das auf fast null ab und neuer, aktueller Content muss her. Willkommen im Content-Hamsterrad! Das begünstigt nicht gerade guten Content. Und vor allem begünstigt es nicht langen Content. Aber wenn die Leute ein Problem haben oder sich wirklich in ein Thema einarbeiten wollen, machen sie das nicht auf Instagram oder Tiktok. Dann googlen sie. Dann wollen sie Longform-Content. Und ich glaube, dass sich dieser Longform-Content durchsetzen wird und dass die Leute irgendwann aus diesem hektischen Social-Media-Hype rauswachsen werden. Mir ist TikTok jetzt schon zu krass, das wird vielleicht eine Plattform v. a. für Menschen bis Ende 20. Ich glaube, dass Blogs immer ihre Berechtigung und ihren Platz im Internet haben werden. Alleine schon deshalb, weil sie so nützlich sind! Es kommt halt darauf an, was wir daraus machen. Lass uns doch das Bloggen von damals wieder gemeinsam beleben 😎