Wochenlang schiebe ich einen Blogbeitrag vor mir her, der so anfängt:

Wahrscheinlich stehen jeden Tag Millionen Menschen in den Museen dieser Welt vor einem Kunstwerk und denken sich: Das kann ich auch. Was ist denn daran besonders? Ist ja nur ein bisschen Herumgespritze, dann noch ein paar Pinselstriche und fertig. Wenn ich Zeit hätte, ja dann könnte ich das auch.

Meine These ist: Der einzige Unterschied zwischen einem Künstler und einem Normalo ist weder Talent, Ausbildung noch Geld, sondern: Machen. Der Künstler…

So. Weiter kam ich nicht. Vor zwei Wochen waren wir spontan im Urlaub, wir sind nach Budapest gefahren. Dort haben wir Lászlós besten Freund besucht, Horváth Daniel (Fun Fact: in Ungarn schreibt man zuerst den Nachnamen, dann den Vornamen. Die Leute stellen sich dort auch so vor). Er arbeitet im Bankensektor. Sein größtes Hobby: Malen. Und als er mir erzählt hat, wie er zum Malen kam, hatte ich ein matrix’eskes Déjà vu:

Er erzählte mir, wie er in einem Museum ein Gemälde gesehen und sich gedacht hat: „Das kann ich auch“. Vom Museum ist er direkt in einen Laden für Künstlerbedarf gegangen und hat sich Leinwände, Farbe und Pinsel gekauft. Und dann hat er losgelegt. Einfach so. Verrückt, oder?

Nein, eigentlich gar nicht verrückt. Das Verrückte ist, dass viele Menschen diesen Gedanken haben („das kann ich auch“), dann aber keinen Stift oder Pinsel in die Hand nehmen. Warum eigentlich nicht? Ich habe da so meine Vermutung…

Die größten Gegner des Machens:

  • Perfektionismus: Wir haben oft zu hohe Ansprüche an das Endergebnis. Und da wir nicht aus dem Stegreif ein perfektes Ergebnis erschaffen können, weil wir nie damit angefangen haben und keine Übung haben, fangen wir erst gar nicht damit an. Total logisch, nicht wahr?
  • Ablenkung durch Social Media/Smartphone und fehlende Muse: Etwas zu konsumieren ist einfacher, als etwas zu erschaffen. Und dank unseres immer präsenten Smartphones ist es unglaublich einfach, Inhalte zu konsumieren und Zeit passiv totzuschlagen. So kommen wir oft gar nicht mehr in den Zustand der schöpferischen Langeweile
  • Ein negatives Selbstbild: Gedanken wie „ich bin nicht kreativ“, „was soll das denn bringen?“, „das ist doch lächerlich“ oder „was werden die Anderen von mir denken?“ verhindern, dass viele Menschen überhaupt in Erwägung ziehen, kreativ tätig zu werden. Mein Favorit ist ja: „Ich habe kein Talent“ – ich behaupte: Talent kann man lernen.
  • „Damit kann man kein Geld verdienen“: Kreatives Herumspinnen lässt sich nicht (sofort) monetarisieren, also gönnt man sich diese vermeintlich sinnlose Tätigkeit auch oft nicht.
  • Der innere Schweinehund: Der Klassiker. Ob Sport, Lernen, Aufräumen oder eben für „Nichtkreative“ kreativ tätig zu werden: der innere Widerstand ist oft sehr hoch, die intrinsische Motivation zu niedrig. Also schiebt man es auf und auf und auf. Und dann hat man nie ein Bild gezeichnet, nie ein Gedicht geschrieben und nie seine Komfortzone verlassen, obwohl man es doch eigentlich immer irgendwie wollte. Und bereut es. Und wenn man richtig Glück hat, bereut man es so stark, dass man endlich anfängt!
  • „Ich bin zu alt für Kreativität“. Mir scheint, als ob Kreativität als etwas gilt, das der Jugend vorbehalten ist. Die Geschichte aber ist voll mit Menschen, die sehr spät mit kreativer Arbeit angefangen haben wie z.B. Grandma Moses oder Ingrid Noll, die ihren ersten Krimi mit 56 schrieb. Heute ist sie Deutschlands Krimi-Autorin Nr. 1.

Anfangen und Machen sind untrennbar mit Kreativität verbunden. Es gibt gute Techniken bzw. Übungen, wie man ins Machen kommen kann. Mehr dazu bald. Man muss halt mal anfangen mit dem Anfangen ;-) Übrigens: Vor Kurzem hat Dániel sein erstes Gemälde in die USA verkauft. Ganz ohne Kunstausbildung oder eigene Webseite. Verrückt, oder?