Dieser Blogartikel basiert auf dem Montags-Live in meinem Blogkurs „The Content Society“ vom 10. März 2025. In The Content Society präsentiere ich jeden Montag um 10 Uhr live ein neues Thema, über das wir diese Woche bloggen können. Manchmal spreche ich am Anfang meines Lives über ein Thema, das mich beschäftigt oder über ein aktuelles Thema, das irgendwie auch mit dem Thema Sichtbarkeit/Bloggen zu tun hat. Letztlich hat fast alles mit Sichtbarkeit zu tun. Ich habe dieses Live damit angefangen, dass wir in den Frühlingsferien 2025 am Plattensee waren – inklusive Hund. Leider ist uns der Hund am Dienstag weggelaufen. Wir sind im Ort herumgelaufen, haben nach dem Hund gerufen, ich bin sogar mit dem Fahrrad kilometerweit den Plattensee hoch- und runtergefahren. Aber: Keine Spur von unserem Hund! Dann haben wir beschlossen: Wir machen ein Posting in eine lokale Facebook-Gruppe:

Damit ich schneller auf Kommentare reagieren konnte, habe ich mir die Facebook-App wieder aufs Handy geladen – nachdem ich sie monatelang AUS GRÜNDEN nicht mehr auf dem Handy hatte. Und dann ging’s los: Ich sehe, ich habe eine Benachrichtigung, also klicke ich in die App. Aber, nein, da ist gar kein Kommentar unter meinem Post, sondern irgendeine andere Reaktion von irgendwelchen Facebook-Freunden, die irgendwas kommentiert oder geliket haben. Das muss ich mir natürlich anschauen, jetzt, da ich die App ja schon geöffnet habe. Und so scrolle ich gedankenverloren hier eine halbe Stunde, dort eine halbe Stunde durch Facebook. BOAH!

Ich merke, wie mich Facebook immer wieder in sein Universum ziehen will, um mir meine Lebenszeit und Energie zu stehlen. Im Gegenzug bekomme ich schlechte Laune und so ein bisschen Selbsthass. Denn nach so einem Scroll-Inferno denke ich mir immer: Ah, jetzt bist du wieder schwach geworden. Jetzt hast du schon wieder eine halbe Stunde Reels geschaut und nix Sinnvolles gemacht. Und in diesem Zusammenhang empfinde ich alles als sinnvoller, als durch Facebook zu klicken: 2 Minuten Spanisch lernen mit Duolingo, eine Runde Wortpuzzle spielen, Wäsche waschen und falten – sogar offline Herumgammeln oder entspannt den Balaton anstarren, ist sinnvoller, als durch Facebook zu scrollen!

Interessanterweise habe ich am Wochenende in der Süddeitschen Zeitung etwas Passendes gelesen: Es war ein Interview mit dem Politikwissenschaftler Herfried Münkler. Es ging um Politik, Russland, Ukraine, USA, also die neue Weltordnung, in der Verträge nichts mehr gelten, sondern nur noch das Recht des Stärkeren. Und dort hieß es:

Gutenberg-Galaxis. Was für ein schönes Wort.

Das Ding ist: Schnelligkeit ist der Feind der Demokratie. Demokratie braucht Diskurs, Abstimmungen, Besprechungen, ein Hin und Her zur Kompromissfindung. Social Media untergräbt das komplett, weil dort alles nur noch im Affekt passiert. Schnellschnelle Affektpolitik ist extrem schlecht für alle, die nicht die Stärkeren sind. Wie z. B. Frauen.

Ich sage seit Jahren: Wir müssen raus aus der Empörungsökonomie! Wir müssen agieren, statt reagieren. Kreieren statt konsumieren. Sonst gehen unsere hart erkämpften Rechte wahrscheinlich den Bach runter. Was man ja in den USA schon heraufziehen sieht, wo man vermeintlich woke Wörter wie „Rassismus“ nicht mehr sagen darf, weil das „illegaler Rassismus“ sei.

Da Deutschland eine starke Beziehung zu den USA hat und da wir uns auch kulturell stark an den USA orientieren, bedeutet: Das, was dort passiert, kommt mit ein paar Jahren Verzögerung und (hoffentlich) abgesoftet wahrscheinlich auch bei uns an.

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir alle ein Tool haben, um dagegen etwas zu tun. Um zu agieren, statt nur zu reagieren: Unseren Blog! Stichwort „Gutenberg-Galaxis„. Rein zufällig heißt der Editor bei WordPress, also bei der am häufigsten benutzten Blog-Software: Gutenberg Editor.

Ein Blog ist die Godmother of Slow Media. Slow Media bedeutet: Wir haben nicht diese Hypezyklen, dieses Schnellschnelle, diese Empörungsspirale. Das Problem mit dem Hypezyklus ist: Dort sind wir im unproduktiven Reagier-Modus gefangen. Dort kreieren wir nichts von Wert. Nichts, was den Affekt überdauert.

Wir dynamischen Blogger und Bloggerinnen sind Idealisten. Wir wollen sichtbar werden. Aber wir wollen nicht den Hypezyklus befeuern. Unsere Sichtbarkeit soll produktiv und nachhaltig sein. Deswegen ist für uns klar: Unser Fokus liegt auf unserem Blog. Den Hypemagneten Social Media nutzen wir nur als Satelligen für zusätzliche Sichtbarkeit. ABER: Facebook, Instagram, LinkedI & Co. sind nicht unsere Hauptplattform! Wir wollen nicht das Schnellschnelle, in der ein reißerischer Hook jeden Mehrwert niederschreit. Wir bevorzugen das langsamere Tempo in der Blogosphäre. Bei Blogs gibt es keine so ausgeprägten Hypezyklen. Und dort gibt es auch keine Feeds, in denen wir von einem unergründlichen Algorithmus zugeballert werden, den man irgendwie „füttern“ oder „erziehen“ müsste, was ja alles viel Zeit benötigt.

Ich bin großer Fan von Social Media. Trotz allem, was passiert ist. Aber: Social Media ist so konzipiert, dass die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass dort einfach nur unsere Zeit gebunden wird – und auch unsere Energie und unsere Kreativität.

Weil ich das nicht will, weil ich kreieren, statt reagieren will, habe ich nachgedacht und dann hatte ich ein paar Ideen:

  • Idee 1: Ich werde FB wieder vom Handy löschen. Klar. Am Laptop und Desktop-Computer nutze ich sowieso schon seit Jahren den News Feed Eradicator, ein kostenloses Browser-Plugin, mit dem ich den Facebook-Feed ausblenden kann.
  • Idee 2: Stichwort Instagram: Wie kann ich mich hier vor der Scrollsucht schützen? Die App vom Handy löschen, ist für mich keine Option. Denn: Instagram ist ein sehr gutes Tool zur Leadgenerierung und dort werde ich sehr oft von Leuten angeschrieben, die Interesse an The Content Society haben. Ich frage: Macht es vielleicht Sinn, ALLEN Profilen auf Instagram zu entfolgen? Ich werde darüber noch nachdenken, die Entscheidung reifen lassen. Vielleicht mache ich ein zweites, persönliches Profil, um all den Leuten zu folgen, die ich tatsächlich interessant finde. Denn ja, es gibt diese Profile. Aber auf meinem Business-Account Sympatexter will ich mich nicht so ablenken lassen. Nur gibt es bei dieser Idee ein klitzekleines Problem: Selbst wenn ich allen Profilen bei Instagram entfolge, gibt es dort ja trotzdem einen Feed! Ich kann dem Feed, der mich einsaugen und zuballern will, nicht entkommen. Was mich zu Idee 3 führt:
  • Idee 3: Ich setze mir selbst eine Zeitbegrenzung für Instagram. Dafür gibt es die Möglichkeit direkt in der App. Ich habe die Zeitbegrenzung jetzt auf eine Stunde pro Tag eingestellt. Was natürlich blöd ist, wenn ich gerade ein Posting oder Reel erstelle und mir dann die Zeitbegrenzung dazwischengrätscht. Na, egal, ich kann die Zeitbegrenzung ja wegklicken.
  • Idee 4: Ich werde weiterhin auf Facebook, Instagram und LinkedIn posten, aber nicht mehr auf (alle) Kommentare antworten. Denn das zieht mich sehr stark in dieses Social-Media-Universum rein. Ab einer gewissen Reichweite ist es ohnehin utopisch, alle Kommentare beantworten zu wollen. Denn es sind einfach zu viele. Ich muss zugeben: Diese vielen wunderbaren Kommentare, die ich oft bekomme, sobald ich etwas poste, freuen mich sehr. Aber sie halten mich auch davon ab, regelmäßig zu posten. Ausführliche, tolle Kommentare zu bekommen, ist ja eigentlich das Beste, das einem auf Social Media passieren kann. Aber ich fühle mich immer in der Pflicht, sie auch alle zu beantworten. Von diesem Glaubenssatz muss ich mich lösen.

Klar ist: Ich möchte auf Social Media bleiben, aber ich will dort meine Zeit zielgerichteter einsetzen, um mein Business zu stärken. Und v. a. will ich den Fokus viel stärker auf meinen Blog legen. Ich muss sehr aufpassen mit diesen süchtigmachenden Medien, denn ich neige stark dazu, mich schnell einsaugen zu lassen. Grundsätzlich bin ich bei Süchten eher unverdächtig: Ich bin Nichtraucher und trinke kaum Alkohol. Aber es gibt ja auch noch andere Süchte. Und da muss ich mich schützen.

Und rein zufällig schütze ich durch meinen teilweisen Social-Media-Rückzug und dadurch, dass ich als Bloggerin kreativ und nachhaltig sichtbar werde, nicht nur mich selbst, sondern auch die Demokratie!

Ich nenne das eine absolute Win-Win-Situation!

Und, ach ja: Unser Hund stand am gleichen Abend schwanzwedelnd vor der Eingangstüre. Als ob nichts gewesen wäre 😄